Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
Vom Netzwerk:
durchkommen musste, anstatt als willkommene Herausforderung. Doch ab Mai entdeckte ich, dass viele Tage vergingen, in denen ich nicht einmal an das »G-Wort« dachte. Nur wenn jemand danach fragte, kam es mir wieder in den Sinn. Ich lebte gern auf dem Land, aber der Frühling war eine Zeit, in der es schien, als würde ich nichts anderes tun als zu arbeiten, denn alles andere im weiteren Verlauf des Jahrs hing davon ab, wie viel Schweiß ich jetzt hineinsteckte. Es war schwer, sich vorzustellen, dass die Früchte meiner Arbeit noch lange nicht reif waren. Doch die Zeit war gekommen, mit der Ernte dessen zu beginnen, was ich gesät hatte.

12 Sommer
    Es kann eine wirklich unschöne Vorstellung sein, im Winter ohne Geld leben zu müssen, aber man wäre verrückt, es nicht im Sommer zu probieren. Lange Abendspaziergänge in den Wäldern, am Wochenende am Strand zelten, Essen aus Lebensmitteln zubereiten, die man selbst angepflanzt und geerntet hat, Radfahren, am Lagerfeuer der Musik lauschen, durch die Natur wandern und Beeren, Äpfel und Nüsse sammeln, nackt im See baden und unter den Sternen schlafen. Wenn Sie Lust haben, dieses Leben nur eine Jahreszeit lang auszuprobieren, dann ist der Sommer die ideale Zeit dafür.
    Die Uhren waren vorgestellt worden. Es war offiziell britische Sommerzeit, und ich genoss die längeren Abende. Daran erfreuen sich offensichtlich nicht nur Menschen ohne Geld. Alle, die ich kenne, hassen es, wenn die Uhren wieder zurückgestellt werden, und ich frage mich oft, warum wir einer Sache zugestimmt haben, die scheinbar keiner von uns will. Wenn man kocht, wäscht, arbeitet und draußen spielt, überall mit dem Fahrrad hinfährt und auf dem Land lebt, ist man nur allzu froh, dass die Sonne jeden Tag ein bisschen länger am Himmel steht. Im Winter und im Frühling gab es auf jeden Fall Zeiten, in denen ich zu spüren bekam, was es hieß, kein Geld zu haben: der Moment, in dem ich hörte, dass meine Kumpels zu einem Konzert unserer Lieblingsband gingen, der Abend, an dem sie sich im Kino einen Film ansahen, den ich auch gern gesehen hätte. Jetzt, da der Sommer da war, vergaß ich, dass ich ohne Geld lebte. Ich lebte einfach.
    Ich hatte auf einmal nicht nur verschiedene Möglichkeiten der Unterhaltung – etwa Zelten, das mir in den kälteren Monaten weit weniger attraktiv erschienen war –, sondern das Leben wurde in vielerlei Hinsicht einfacher.
    Auf dem Fahrrad
    So sehr ich Radfahren schätze, in den Wintermonaten und zu Frühlingsbeginn knapp 130 Kilometer in der Woche zu fahren, war nicht immer ein Vergnügen. Ohne die richtige Kleidung wurde ich oft nass bis auf die Haut. Selbst wenn ich keine Regenhaut trug, schwitzte ich meist so stark, dass das Ergebnis das gleiche war. Zur Abwechslung – was mir gefiel, weil es bedeutete, dass meine Art zu leben normal für sie wurde – sagten mir meine Freunde immer wieder, dass ich mir eine wasserdichte, atmungsaktive Jacke besorgen solle. »Womit?«, antwortete ich darauf. Wie sich herausgestellt hatte, war so etwas bei Freecycle während der nasseren Jahreszeiten unmöglich zu bekommen.
    Wenn es stark regnete, gingen die Lichter an meinem Fahrrad willkürlich an und aus. Es dauerte den ganzen März, bis ich herausfand, dass das an einem Wackelkontakt an den Drähten meines Dynamos lag, was ich sofort in Ordnung brachte. Durch die Ausfälle beim Licht war das Radfahren ganz schön nervenaufreibend gewesen, da ich für rasende Autofahrer, die auf Landstraßen fuhren, die gerade mal breit genug für ein Auto waren, plötzlich und auf unerklärliche Weise unsichtbar wurde. Wenn ich hinter mir einen Motor aufheulen hörte, musste ich entweder im Graben stehen, bis das Auto vorbeigefahren war, oder riskieren, dass ich mich zu den toten Dachsen und Füchsen gesellte, die den Straßenrand säumten.
    Doch als die Sommerwinde durch das Tal wehten, wurde das Radfahren nicht nur leichter, sondern etwas, das ich wirklich tun wollte. Mountainbikefahren gehört zu meinen Lieblingshobbys. Deshalb machte ich oft mit Freunden in der Gegend von Bristol Erkundungsfahrten, wie nach Leigh Woods. Wir rasten auf den steilen Hügeln dieses riesigen Anwesens kleine Flüsse und morastige Pfade hinunter. Geländefahrten sind in verschiedener Hinsicht ganz ähnlich wie das Leben: Wenn man sie genießen will, darf man keine Angst haben, auf den Hintern zu fallen.
    Dieser Zeitvertreib war ziemlich dumm und einigermaßen unverantwortlich. Mountainbikefahren kann ein ziemlich

Weitere Kostenlose Bücher