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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
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wirklich Gedanken darüber machen würden, ob sie es zulassen können, dass die Menschen durch Essen von Abfall krank werden, würden sie das sicherlich nicht tun. Würden wir die weggeworfenen Lebensmittel in diesem Zustand essen, wäre eine Lebensmittelvergiftung die geringste unserer Sorgen.
    Ein gewöhnlicher Einkauf kann ziemlich langweilig sein. Man geht in den Laden, läuft herum nach einem von Planern von Einzelhandelsgeschäften entworfenen Muster, dem zufolge man das meiste Geld ausgibt, steht einige Minuten an der Kasse in der Schlange, sagt der Kassiererin freundlich Guten Tag, während diese wahrscheinlich im monotonen Jargon der Zentrale antwortet, und verlässt den Laden mit vollen Taschen und leerem Portemonnaie. Dagegen hatte ich einige meiner besten Erlebnisse im Sommer an den Abenden, wenn ich mit Freunden die Abfallcontainer durchsuchte. Wir machten uns mit dem Fahrrad auf zu einem nächtlichen Abenteuer, mit leeren Satteltaschen (oder dem Fahrradanhänger, wenn wir dahin fuhren, wo wir uns eine reiche Ausbeute erhofften).
    Beim Durchsuchen der Müllcontainer hat man absolut keine Ahnung, was man finden wird. Man weiß nur, dass man etwas finden wird, und das oft in großen Mengen! Ich habe einige irrsinnig komische Erlebnisse an den Tonnen gehabt. Das Lustigste war, als ich eine Schachtel mit Kondomen fand, deren Außenverpackungen einen Wasserschaden hatten, doch die innen völlig intakt waren! Damit war ein Problem gelöst, das mir große Kopfschmerzen bereitet hatte. Fergus’ Idee, aus den Innereien von überfahrenen Dachsen Kondome zu machen, war ein bisschen zu viel für mich. Ich bin auch nicht sicher, ob das potenzielle Partnerinnen erregt hätte. Platz zwei im »Wettbewerb um die bizarrsten Müllcontainerfunde« machte mein Kumpel Dave Hamilton, der eines Abends eine 10-Pfund-Note fand und damit am nächsten Tag in einen Bioladen ging, um einige qualitativ hochwertige Lebensmittel zu kaufen! Das entsprach nicht ganz dem Freeconomy-Lebensstil, aber er beschwerte sich nicht. Ich fand Kisten mit Bier, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war (konnte man trinken, aber war über seinen Höhepunkt hinaus), und Kisten mit Wein, in denen eine Flasche kaputt war, weshalb die anderen Flaschen fleckig waren und nicht mehr verkauft werden konnten.
    An den meisten Abenden fanden wir zwischen zehn und 20 Brotlaibe, und sehr häufig stolperten wir über Kisten mit Obst und Gemüse. Aber was sollten wir mit all dem Überschuss anfangen? Wir taten, was die meisten anderen Freeganer tun: Wir verteilten die Sachen an Freunde und andere, von denen wir wussten, dass sie diese wirklich zu schätzen wussten. Viele meiner Freunde verbringen viel Zeit mit ehrenamtlichen Projekten, was bedeutet, dass ihre Einkommen winzig sind im Verhältnis zu der Arbeit, die sie jede Woche verrichten. Daher freuen sie sich immer über Lebensmittelspenden. Auf meinen Fahrten zurück zum Bauernhof gab ich kleine Pakete ab, mit unterschiedlichem Inhalt, je nachdem, ob der Empfänger Veganer, Vegetarier oder Allesesser war. Manche fütterten sogar ihre Hunde mit dem Inhalt meiner Pakete. Den mochten die Hunde viel lieber als ihr normales Dosenfutter.
    Einer der merkwürdigsten Müllsammelabende war der, an dem wir mit dem Journalisten Jon Henley und Kameramann Mustafa Khalili einen Film für Guardian online machten. Ich lese Jons faszinierende Artikel seit Jahren. Mit ihm in Müllcontainer zu tauchen, schien surreal. Ich bin sicher, dass es auch für ihn komisch war. Er erzählte mir, dass er am nächsten Abend mit dem französischen Botschafter in London zu Abend essen werde, da seine Frau als Journalistin bei einer französischen Zeitung arbeitete. Und jetzt war er hier und half mir, Pizzas und Pasteten aus einem Müllcontainer zu fischen. Ich hatte großen Respekt vor ihm, weil er wirklich mitmachte und sogar einige Lebensmittel nach London mitnahm, darunter Fruchtsaft für sein Kind. Wenn jemand mir vor zehn Jahren erzählt hätte, dass ich ohne Geld leben und mit einem meiner Lieblingsjournalisten Abfälle durchwühlen würde, hätte ich nicht gewusst, ob ich mein Diplom lieber sausen lassen oder noch fleißiger studieren sollte!
    Hauptzweck meines Sammelns von Lebensmittelabfällen während der Sommermonate war das Verteilen der Nahrung an andere, aber es gab Zeiten, in denen ich es besonders nützlich fand, vor allem an Tagen vor großen Festivals. Ich hatte Ende Juni jede Menge frisches Gemüse, doch vieles davon

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