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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
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die knapp 90 Kilometer zum Festival mit dem Fahrrad gefahren, eine sechsstündige Fahrt, während der ich keine anderen Radfahrer gesehen hatte, dafür aber jede Menge tote Dachse, Kaninchen, Füchse und Vögel. Ich befand mich etwa zwei Meilen auf dem Rückweg, als ich hörte, wie ein Auto mit quietschenden Reifen über die Kuppe eines kleinen Hügels hinter mir fuhr und Sekunden später wie verrückt hupte. Böse rief ich über meine Schulter: »Ich bin so weit am Rand, wie ich kann!«, nur um zu sehen, dass das außer Kontrolle geratene Auto direkt auf mich zuschoss. Der Schwung meines Fahrrads sorgte dafür, dass ich weiterfuhr, und das Auto landete in der Mitte abgeknickt im Graben, mit einem Geräusch, als würde eine Bombe explodieren. Es kam etwa 1,80 Meter vor meinem Hinterrad zum Stehen, so nah, dass ich es aus meinem linken Augenwinkel sehen konnte. Wenn ich eine Sekunde später gefahren wäre oder das Auto wieder aus dem Graben herausgeschossen wäre, hätte ich nicht ohne Geld leben können. Ich wäre zwar noch ohne Geld gewesen, aber nicht mehr am Leben.
    Ich vergewisserte mich, dass der Fahrerin nichts fehlte. Wie durch ein Wunder stieg sie stolpernd aus dem Auto, war aber im Schockzustand. Ich musste die Tränen zurückhalten, als ich auf der Straße nach Hause raste. Ich war so schockiert und vollgepumpt mit Adrenalin, dass ich innerhalb von nur vier Stunden zu Hause ankam. Mir ging durch den Kopf, worüber Paradox am Tag zuvor gesprochen hatte: Wie würde ich leben, wenn heute mein letzter Tag wäre? Wäre ich zufrieden mit dem Letzten, was ich zu jemandem gesagt hätte? Wie hätte ich meine letzten Stunden/Tage/Wochen verbracht? Hätte ich den Menschen, die mir am Herzen liegen, gesagt, was ich für sie empfinde? Hätte ich einen Menschen zu Unrecht verurteilt, dessen Geschichte ich gar nicht kannte? Wäre ich die Person, die ich anstrebte zu sein? Im Juni lautete die Antwort darauf Nein. Ich lebte zwar ohne Geld, und meine Handlungen richteten sich streng nach meinen Überzeugungen. Doch was mich betrifft, so ist dies nur ein Teil einer Gesamtlösung.
    Die meisten Menschen behaupten, dass sie »Frieden« wollen, ohne wirklich zu wissen, was das bedeutet. Frieden fällt nicht vom Himmel auf uns herab. Er ist ein Mosaik, dessen Teile aus unseren täglichen Interaktionen mit anderen und unserem Planeten bestehen. Meine persönlichen Interaktionen waren allzu oft weit entfernt von der wahren Bedeutung des Friedens. Ich stöhnte, wenn ich zu viel zu tun hatte, beschwerte mich, wenn andere Sachen kauften, mit denen ich nicht einverstanden war, und verhielt mich generell weniger positiv, als ich mir wünschen würde. Mein Leben ohne Geld hatte als ein Mittel zu einer friedfertigeren Lebensform begonnen, war dann aber zum eigenständigen Zweck geworden, genauso wie Geld als Mittel zur Vereinfachung von Transaktionen eingeführt worden war, um dann selbst zum Zweck zu werden. Paradox’ Workshop half mir, mich selbst zu überprüfen und zu meinen ursprünglichen Absichten zurückzukehren.
    Das zweite Festival, zu dem ich es schaffte, war Sunrise Off-grid, die kleine Schwester des viel größeren Festivals Sunrise Celebration. Das war das erste Jahr, in dem dieses Festival für autonome Versorger stattfand. Es entstand aus dem Wunsch des Sunrise-Gründers Dan Hurring heraus, sich ernsthaft mit Themen wie dem Klimawandel und der Erdölknappheit zu befassen und den Organisatoren anderer Festivals zu zeigen, wie man ein wirklich tolles Festival veranstaltet, auf dem man viel Spaß hat, ohne dabei groß der Umwelt zu schaden. Dan hatte mich im Mai kontaktiert und fragte mich, ob ich ein paar Vorträge über ein Leben ohne Geld halten würde, und ich sagte gerne zu. Ein paar zweistündige Vorträge waren viel leichter als die fünf Tage Arbeit, die ich in Buddhafield verrichtete, obwohl ich in meiner Freizeit im Bereich Alternative Wirtschaft aushalf.
    Sunrise Off-grid bedeutete vier Tage lang Workshops zu jedem Gesellschaftsaspekt: von Bildung bis Energie, von Essen bis Freundschaft, von Ökonomie bis Ökologie und von Politik bis Töpfern. Die Abende gehörten der Musik und dem Tanz.
    Das ist an sich schon ein wichtiger Punkt. Wir hatten noch nie mehr Geld und kostengünstigere Energie. Wenn uns die Zerstörung der Umwelt zufriedener machen würde, wäre das schon mal etwas. Das Braten der Erde hätte eine gewisse Berechtigung, wenn es uns fröhlich machen würde. Aber warum sind wir mit wachsendem Wohlstand

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