Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung
wäre in einem heißen Zelt schnell kaputtgegangen – nicht gut für fünf Tage dauernde Festivals. Ich brauchte verarbeitete Lebensmittel, die nicht schimmlig wurden und nicht groß gekocht werden mussten. Also verbrachte ich zwei oder drei Abende vor einem Festival damit, nach Bohnen, Brot und Aufstrichen in Dosen zu suchen, sowie nach frischen und getrockneten Früchten und Snacks, um meine aus Haferflocken, Nüssen und Beeren bestehende Grundnahrung aufzuwerten.
Die Festival-Saison
Der Südwesten Englands, wo ich lebe, ist im Sommer ein Festival-Mekka. In diesem Teil der Welt wird, abgesehen vom bekannten Glastonbury Festival, von Mai bis Oktober jede Woche ein anderes Festival veranstaltet. Wie man sich vorstellen kann, ist es ziemlich verführerisch, möglichst viele davon zu besuchen, besonders wenn sie vor der eigenen Haustür stattfinden.
Zu Beginn meines Jahres ohne Geld nahm ich an, dass ich zu den Festivals 2009 nicht würde gehen können. Erstens konnte ich den Eintritt nicht bezahlen. Zweitens, wenn man dann drin war, kostete dort alles viel. Nahrung ist lebenswichtig, aber wenn ich zusammen mit Freunden Musik höre, trinke ich mit ihnen auch gern ein paar Bier. Drittens, obwohl einige Festivals relativ nah an meinem Wohnort stattfinden, muss man zu den meisten eine Hin- und Rückfahrt von ca. 200 Kilometern in Kauf nehmen, nicht viel, wenn man mit dem Auto fährt, aber ziemlich viel mit dem Fahrrad. Die Entfernungen bedeuteten, dass ich, wenn ich ein Festival besuchen wollte, nicht nur vier Tage von meinem wirklich hektischen Arbeitspensum abzweigen musste, sondern es würde auch zwei körperlich ziemlich anstrengende Tage dauern, um hinzukommen und wieder zurück.
Die ersten beiden Probleme erledigten sich im Mai von selbst, als Paul Crossland und Edmund Johnson mich baten, ihnen bei der Promotion ihres neuen Projekts, Freelender, beim Buddhafield Festival zu helfen. Als Gegenleistung konnte ich gratis zum Festival. Ich bin ziemlich wählerisch, welche Projekte ich unterstütze, aber Freelender (www.freelender.org) passte perfekt in mein Konzept. Das Projektziel bestand darin, den Grad der Ausnutzung von Ressourcen in lokalen Gemeinschaften zu maximieren, und zwar durch eine Website, über die man Sachen leihen und verleihen konnte (vom Buch bis zum Fahrrad), an die und von den Personen, die sie sich andernfalls vielleicht nicht leisten konnten. Dadurch sparen die Leute nicht nur Geld, sondern begrenzte Ressourcen werden auch besser ausgenutzt, und durch Akte der Freundlichkeit und des Vertrauens können starke Gemeinschaften aufgebaut werden. Das ähnelt sehr den Idealen der Freeconomy Community und ist ein gutes Beispiel für eine spontan entstehende Organisation, die ihren Beitrag zur »Geschenkwirtschaft« leisten will. Eine soziale Bewegung, in der Güter und Dienstleistungen regelmäßig weitergereicht werden, ohne eine explizite Tauschvereinbarung, sondern auf Basis zwangloser Gewohnheit und der Kultur und des Geistes des Gebens.
Ich war nicht sicher, ob Buddhafield das richtige Festival für mich war. So sehr ich Freelender helfen wollte, das Projekt zum Laufen zu bringen, hatte ich Sorge, dass es dort zu viel Chai-Tee und Tai Chi für meinen Geschmack geben könnte. Doch Paul und Edmund boten mir an, mich reinzubringen und dafür zu sorgen, dass mir in den fünf Tagen nicht das Essen ausging. Also beschloss ich mitzumachen. Tagsüber arbeitete ich in einem Zelt, gab Broschüren aus und befragte Menschen zu ihrer Einstellung, was das Leihen und Verleihen anbelangt. Wir hatten einen Freeshop, aus dem man kostenlos Sachen mitnehmen konnte, die man brauchte, und wo man Sachen abgeben konnte, die man nicht mehr haben wollte. Wir richteten einen Leih- und Verleihservice für solche Dinge ein wie Decken und Gummistiefel und organisierten Mitnahmemöglichkeiten, damit die Menschen kostenlos vom Festival wieder nach Hause kamen.
An den Abenden hatte ich viel Spaß, auch ohne Geld. Ich traf mich mit Freunden, die ich seit Jahren kaum gesehen hatte, verbrachte Zeit mit Leuten, die ich in Bristol kennengelernt hatte, aber nur oberflächlich, weil ich für intensivere Kontakte keine Zeit gehabt hatte, ging in die Sauna und hörte großartige Musiker, darunter meine Lieblingsbands wie Seize the Day. Das tat mir unendlich gut. Bis Ende Juni hatte ich sieben Tage die Woche gearbeitet, und obwohl ich beim Festival auch arbeitete, war die Abwechslung definitiv genauso gut wie eine Pause. Doch während
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