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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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war, die anderen zu überzeugen; ihnen klarzumachen, eine solche Gelegenheit würde nie im Leben wiederkehren; ihnen vorzurechnen, ein Abweichen vom Kurs war möglich und brachte keinen großen Zeitverlust. Nur einmal in fünfzehn Jahren befand sich dieser fast unerforschte Planet, von dessen Schönheit man sich Dinge erzählte, die Jules Verne nicht hätte erfinden können, in einer für die Landung so günstigen Position, und wenn sich auch ein längerer Aufenthalt wegen der klimatischen Bedingungen verbot, so wäre es doch sträflich gewesen, ihm nicht wenigstens einen kurzen Besuch abzustatten. Das war zumindest seine Meinung, und er hatte es geschafft, die Kameraden, vor allem Kerr, für den unvorhergesehenen Abstecher zu gewinnen.
    Es war auch alles wie geplant verlaufen. Die Landung war beinahe schulmäßig vonstatten gegangen, und als sie sich dann erstmals auf dem Planeten umschauten, fühlten sie sich in eine Märchenwelt versetzt. Eine Landschaft aus Glas und Farben. Berge von blauem Kristall, durch die man hindurchsehen konnte, wenn die Sonne darauf schien. Ebenen, die in grünen Stufen, gewaltigen Treppen ähnlich, zum Meer hinabstiegen. Schluchten, in denen der Wind Oratorien wie auf den Orgeln uralter Kirchen spielte.
    Sie waren in einer Gegend niedergegangen, die noch keines Menschen Fuß betreten hatte, in der Nähe eines großen Sees. Das Wasser dort war nicht genießbar, es haftete wie Öl an allen Gegenständen, mit denen es in Berührung kam, aber seine Tönung war unbeschreiblich. Klar und zugleich phosphoreszierend, von roten und silbernen Fäden durchwirkt, dem Muster kostbarer alter Stoffe gleich. Es gab keine Lebewesen an diesem Ort, keine Tiere, Fische oder Vögel, nur eine fremdartige Vegetation: Pflanzen und Bäume von bizarren Formen, die kaum Sauerstoff produzierten, so daß man immer die Atemgeräte bei sich tragen mußte. Einige dieser Gewächse brachten riesige rote Blüten hervor, nur rote Blüten, als hätte die Natur damit einen Gegensatz zu den blauen Gebirgen und dem blendendweißen Sand schaffen wollen, der überall den Boden bedeckte.
    Der Navigator unterbrach seinen Gedankengang – das Kontrollämpchen in seiner Hand schlug nicht an. Sollte er der Fehlerquelle bereits auf der Spur sein? Nein, er hatte das Prüfgerät nur nicht richtig angesetzt. Beim zweiten Versuch war der Kontakt da.
    Der Kommandant, der, aufmerksam geworden, den Kopf gehoben hatte, wandte sich wieder der Gravitationsmeßanlage zu, mit der er sich seit einigen Minuten beschäftigte. Was will er damit, dachte Surkin, im Augenblick ist sie uns doch sowieso zu nichts nütze. Er hätte den Kommandanten am liebsten gebeten, sich wieder hinzulegen, doch er wußte, daß das zwecklos war. Kerrs Ansichten über die Pflicht waren fest verwurzelt. In der Stunde der Gefahr hatte der Kapitän des Schiffes auf seinem Platz auszuharren, das galt ihm als ein unumstößliches Gesetz. Ein Glück, daß wenigstens die beiden Wissenschaftler ihren Schlaf genossen. Sart, der Astrogeologe, und Dr. Palmes, der Arzt und Biologe. Es reichte aus, wenn sie morgen von dem Defekt erfuhren; von den kybernetischen Apparaten verstanden sie ohnehin nur das Notwendigste. Sie hatten sich ihren Schlaf übrigens redlich verdient. Von früh bis in die Nacht saßen sie über ihren mineralischen und biologischen Proben, stellten Tabellen auf, katalogisierten oder verglichen die Werte mit früheren Ergebnissen. Gar nicht zu reden von den Tagen, wo sie festen Boden unter den Füßen gehabt hatten. Ihre Besessenheit war grenzenlos. Am liebsten hätten sie wohl die beiden Planeten mit allem Drum und Dran in ihre Plastbehälter und Beutel aus Metallfolie gepackt.
    Surkin lachte bei diesem Gedanken laut auf, so daß ihn der Kommandant fragend ansah. Doch der Navigator kam nicht dazu, den Grund seiner guten Laune anzugeben. In diesem Augenblick nämlich wurde die Tür zur Steuerkabine geöffnet. Oder besser gesagt: nicht geöffnet, sondern mit einem heftigen Ruck aufgestoßen.
    Der Ingenieur fuhr überrascht hoch, Kerr hätte um ein Haar das Meßinstrument fallen lassen, das er noch immer in der Hand hielt. In der Tür stand, im Schlafanzug, Linn Sart, der Geologe. Er war in einer Verfassung, die man an ihm nicht kannte: hochrot im Gesicht, mit wirr in die Stirn hängendem Haar. Die beiden im Raum schauten ihn verblüfft an.
    3. Sart
Der Traum, den der Geologe gehabt hatte, bevor er, wie aus Nebelschwaden auftauchend, erwacht war, lastete noch immer auf

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