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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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verrichteten, drohte keine unmittelbare Gefahr. Mit dem Ersatzschirm würden sie sich einige Tage behelfen können, und bis dahin war der Fehler bestimmt gefunden. Freilich gab sich Kerr keinen Illusionen hin. Schnell war dieses Problem sicherlich nicht zu lösen. Im Zentralhirn nach der Ursache der Störungen zu suchen, das hieß Meteoriten im Kosmos aufspüren. Dennoch mußte es gelingen. Auf die Dauer hing die Funktionstüchtigkeit des Schiffes davon ab.
Per Kommandant ließ sich mechanisch in einen Ledersitz fallen und schaute zu, wie Surkin die Stahlglasverschalung löste, hinter der sich das ZH befand. Ein zuverlässiger und intelligenter Mann, dieser Ingenieur. Obwohl Kerr nicht gleich mit jemandem warm wurde, selbst bei seinen engeren Mitarbeitern als wenig zugänglich galt, verkehrte er mit dem Navigator geradezu freundschaftlich. Das mochte an der Ähnlichkeit liegen, die Surkin mit Raul, Kerrs verstorbenem Sohn, hatte. Das gleiche Temperament, die gleiche Beharrlichkeit, nahezu die gleichen Fähigkeiten. Auch das Alter und die Statur stimmten ungefähr überein. Nur, daß sein Junge viel auf ein gepflegtes Äußeres gegeben hatte, während sich der Ingenieur in dieser Hinsicht bisweilen gehenließ.
Kerr beobachtete den Navigator, und trotz der ungewöhnlichen Situation glitten seine Gedanken ab. Zu Raul und dessen lustiger Frau Milka, die beide unerwartet vom Sonnenfieber dahingerafft worden waren. Zu seinem Enkel Hondar, einem ernsten, inzwischen vierzehnjährigen Jungen, der gewiß schon jetzt die Tage zählte, die bis zur Ankunft des Großvaters vergehen würden. Kerrs Gedanken wanderten, eine gewisse Sentimentalität erfaßte ihn. Aber schließlich bemerkte er es und machte sich energisch von seinen Erinnerungen frei.
    2. Surkin
Eine halbe Stunde vorher war Surkin, der Navigator, noch müde gewesen, abgespannt nach den Anstrengungen der letzten Monate, aber nun war alle Mattheit wie weggeblasen. Mit der Fahrt zur Kalten Sonne hatte er seinen achten Ausflug ins Weltall unternommen, und schon mehrfach hatte er vor komplizierten Problemen gestanden. Dennoch konnte er sich nicht erinnern, je einem solchen Phänomen begegnet zu sein. Fehler im ZH traten kaum auf, am wenigsten bei so neuen Schiffen wie dem Falken. Und nun eine Störung, die mit einem Schlag sämtliche Meßeinrichtungen, Funkanlagen und Stereoschirme lahmlegte. Während Surkin mit einer kleinen Kontrollampe Kontakt um Kontakt überprüfte, sorgfältig darauf achtend, daß er keine der mit bloßem Auge kaum wahrnehmbaren Nahtstellen ausließ, dachte er über die Ursachen nach, die den Mangel hervorgerufen haben konnten. Doch er kam zu keinem Ergebnis.
Trotzdem war der Ingenieur eher erstaunt als besorgt. Abgesehen davon, daß er zu jenen Menschen gehörte, die eine Gefahr erst begreifen, wenn sie schon vorüber ist, ließ sein Optimismus den Gedanken an eine ernsthafte Bedrohung nicht zu. Hatten sie nicht damals, auf seinem zweiten Flug in den Kosmos, das Debakel verhindern können, als bei jener Sonneneruption die Hitzeschilde zu schmelzen begannen? Hatten sie ihr Schiff nicht wieder zusammengeflickt, als sie bei der Fahrt zum Pinguinenatoll mitten in einen Meteoritenschwarm schlitterten? Gewiß hörte man mitunter von Raumfahrtkatastrophen, doch daß sie selbst davon betroffen sein könnten, lag außerhalb seines Vorstellungsvermögens. Er kannte eine Menge Kosmonauten, die ein Leben lang zwischen den Planeten umhergegondelt waren, ohne daß ihnen je etwas zugestoßen wäre. Im Notfall, wenn sie den Fehler wirklich nicht finden würden, könnten sie sich mit den Ersatzgeräten auf den Saphir einpendeln und sich, sobald sie in dessen Nähe wären, vom Rettungsdienst abschleppen lassen.
    Surkin versuchte sich ganz auf seine Tätigkeit zu konzentrieren, aber da es vor allem eine mechanische Arbeit war, dachte auch er an andere Dinge. Er ging im Geist nochmals die Stationen ihrer Reise durch: den Start, wie immer ungeduldig von ihm erwartet, den Flug zur Kalten Sonne, von Spannung erfüllt wie jeder Vorstoß ins Unbekannte, den Aufenthalt auf dem fremden Himmelskörper. Es war eine ereignisreiche Fahrt gewesen, die interessante wissenschaftliche Ergebnisse gebracht hatte, und auf dem Rückflug dann – eine plötzliche Eingebung – hatte er darauf gedrängt, den Blauen Planeten anzusteuern.
    Ja, es hatte sich um eine Versuchung besonderer Art gehandelt, und er war jetzt noch froh darüber, daß er ihr nachgegeben hatte. Daß es ihm gelungen

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