Der Mann von Anti
Untersuchungen schlossen weiterhin aus, daß die Herzen oder Lungen der beiden Verstorbenen plötzlich versagt oder das Blut sich geweigert hätte, Sauerstoff in die Körperzellen zu transportieren. Sie hatten auch nicht statt des gewohnten Atemgemisches ein anderes, sauerstoffreies Gas eingeatmet. Die Klimaanlagen hatten einwandfrei funktioniert. Kaum etwas war jemals so sorgfältig geprüft worden. Die Ärzte, die die Obduktionen durchgeführt hatten, waren bereit zu schwören, daß sowohl Weaverly als auch Lloyd in den letzten vierundzwanzig Stunden vor ihrem Tod nichts anderes eingeatmet haben konnten als die beste Luft, die für Geld zu haben war. Das FBI hatte die Räume, in denen die beiden gestorben waren, trotzdem auseinandergenommen und nicht die geringste Spur von einem fremden Gas gefunden.
Alles in allem: Weaverly und Lloyd müßten eigentlich noch leben.
Dabei gab es genügend Leute, die ein hinreichendes Motiv für die Morde gehabt hätten. Timothy schloß auch Brooker nicht aus, obwohl der in den fraglichen Stunden nachweislich auf seinem Landsitz gewesen war und jetzt ganz offensichtlich selbst Todesängste litt. Die Bigbosse der United Chemical zählten zu den meistgehaßten Menschen der Staaten. Timothy versuchte gar nicht erst, sich einen Überblick über alle Motivverdächtigen zu verschaffen. Wer auch immer sie töten wollte, er mußte Gelegenheit gefunden haben, an die Ermordeten heranzukommen. Aber die waren in ihren Arbeitszimmern gestorben. Mitten in ihren Inneren Reichen, abgeschirmt und beschützt von Dutzenden hochbezahlter Leute und den besten Sicherheitssystemen der Welt. Sie waren in ihren letzten Stunden allein gewesen. Sie hatten sich zurückgezogen und wollten nicht gestört werden; wenn sie das sagten, dann war das für ihre Umgebung Gesetz. Und es schien tatsächlich niemand in den fraglichen Stunden bei ihnen gewesen zu sein. Wer in das Innere Reich wollte, mußte sich in der Schleuse vor den Bildschirm stellen und wurde optisch registriert, auch wenn er die Genehmigung zum Eintritt nicht erhielt. Aber niemand hatte sich um Eintritt beworben. Niemand außer den Toten hatte sich im Inneren Reich aufgehalten. Die Familien waren außerhalb, die Junioren waren in der Stadt gewesen. Ihre Alibis waren einwandfrei. Sie selbst hatten bei der Rückkehr ihre toten Väter gefunden, weil keiner der Bediensteten sich getraut hätte, ohne Aufforderung in das Innere Reich einzudringen.
Timothy fragte Patton, wie lange die Juniorchefs gebraucht hätten, bis sie den Tod ihrer Väter festgestellt und bekanntgegeben hatten, aber Patton lachte nur.
»Fehlanzeige«, sagte er. »Darauf sind andere auch gleich gekommen. Selbst wenn die jungen Leute, die übrigens schon gesetzte Herren sind, über magische Kräfte verfügten, mit deren Hilfe sie ihre Väter am Luftholen gehindert hätten, sie sind an diesen Tagen nicht allein nach Hause gekommen, und es waren Zeugen dabei, als sie die Toten fanden, Dienstboten, aber auch angesehene Leute, Freunde aus dem Club, und zu diesem Zeitpunkt waren sowohl Lloyd als auch Weaverly schon mindestens eine Stunde tot.«
»Dann«, sagte Timothy, »haben wir eine historische Stunde erlebt. Den unmöglichen Mord.« Er goß sich einen dreistöckigen Johnnie Walker ein. »Tut mir leid, Harold, ich gebe auf.« Am nächsten Morgen sortierte Timothy Napoleons Arbeiten aus dem Wust von Berichten, Aussagen, Berechnungen und Kontrollrechnungen heraus, bevor er die Folien und Kristalle in das Maul des Manipulators fallen ließ, der sie in handliche Container packte. Was für eine Menge Zeugs Patton angeschleppt hatte. Und er hatte alles umsonst durchgearbeitet. Nicht umsonst, aber ohne Ergebnis. Das kränkte ihn mindestens ebensosehr wie der Verlust seiner Sonderprämie, die er sich in Gedanken schon zusammengestellt hatte. Patton wußte auch über Brookers Weinkeller gut Bescheid.
Timothys einziges Vergnügen in dieser Morgenstunde war es, noch einmal Napoleons Schlußfragen zu lesen, eine Ansammlung absurder Gedanken, wie sie eben nur einem elektronischen Gehirn entspringen können, das sich in seinem bornierten Drang nach Vollständigkeit keinen Gedanken versagt.
Napoleon mußte halt auch bei den eindeutigsten und unzweifelhaftesten Ergebnissen das letzte Wort haben und noch eine Frage hinterherschicken. Zuweilen ärgerte sich Timothy darüber, meistens lachte er, ja, er sammelte Napoleons »letzte Worte« und hatte sogar schon daran gedacht, sie eines Tages als Beispiele
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