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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Es mußte ein Bombengeschäft sein, dachte er, sonst hätte es nie diese Kliniken gegeben. Ihm war speiübel. Er brauchte einen dreistöckigen Whisky.
»Ich glaube nicht, daß ich Brooker helfen kann«, sagte er dann.
Patton sah ihn hilflos an. »Ich kann mir denken, was jetzt in Ihrem Kopf vorgeht«, sagte er, »aber ich bitte Sie, versuchen Sie es trotzdem.«
»Tut mir leid«, sagte Timothy. »Es gibt nichts, wo ich ansetzen könnte.«
»Aber Sie haben sich doch noch nicht einmal die Unterlagen angesehen.«
»Bestellen Sie Ihrem famosen Mr. Brooker einen Gruß von mir, es täte mir leid, aber…«
»Bitte«, sagte Patton noch einmal und legte Timothy eine Schachtel Kristalle auf den Tisch. »Sehen Sie wenigstens das durch. Vielleicht können Sie mir einen Tip für die Polizei geben.«
»Was, zum Teufel, haben Sie davon?« knurrte Timothy.
»Alles«, sagte Patton leise. »Bitte.«
»Nun reden Sie schon.«
Patton schüttelte den Kopf. Er sah Timothy nicht an. Er starrte zu Napoleon hinüber, auf dessen stumpfem anthrazitfarbenem Bauch nur das Bereitschaftslicht glimmte. Timothy beobachtete ihn. Als Patton das merkte, ließ er seinen Sessel um neunzig Grad schwenken, so daß er Timothy nur noch sein Profil bot, und schloß die Augen.
»Ich flehe Sie an, Mr. Truckle«, sagte er leise, fast unhörbar, »tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht. Vielleicht kann ich Sie…«
»Nun gut«, brummte Timothy. »Ich schau mal ‘rein. Aber nur wegen Ihrer traurigen blauen Kinderaugen. Und sagen Sie nicht immer Mr. Truckle zu mir. Für Sie bin ich Tiny.«
Patton griff impulsiv Timothys Hand und drückte sie. »Ich heiße Harold.«
»Okay, Harold, was haben wir denn als erstes?«
4
    Patton kam jeden Morgen kurz nach neun, und er brachte nicht nur Unterlagen und Antworten auf Timothys Fragen mit, sondern auch regelmäßig einen Korb voller Flaschen. Timothy konnte sich ausrechnen, daß er bald einen zweiten Raum als Weinkeller einrichten mußte, wenn er sich noch lange an dem Fall aufhielt. Er trank in diesen Tagen kaum etwas.
    Der Smog drückte auf Chicago. Timothys Wohnung lag zwar über der schmutziggelben Dunstschicht, die selbst am Nachmittag selten über das 750. Stockwerk anquoll, aber sie reflektierte die Sonnenhitze, ließ sie an den Wänden des Wolkenkratzers hochbranden, und obwohl Timothy Unsummen für seine zusätzliche Klimaanlage ausgegeben hatte, stieg die Temperatur in seinem Appartement auf über dreißig Grad. Timothy dachte voller Wehmut und Neid an den gekühlten Park unter Brookers Privathimmel.
    Sie gingen alle halbe Stunde unter die Luftdusche. Napoleon wäre längst durchgebrannt, wenn Timothy nicht alle umfangreichen Berechnungen über den Zentralcomputer abgewickelt hätte. Timothy hatte sich sogar bei dem Gedanken ertappt, daß der gute Napoleon tatsächlich ziemlich alt war und die Arbeit auch im Winter nicht bewältigt hätte, aber dann war Napoleon bei einer Nebenrechnung auf einen Fehler des Zentralcomputers gestoßen, seitdem ließ Timothy ihn zu jeder Untersuchung eine Kontrolle rechnen.
    Aber so hart Timothy auch Napoleon, Patton, die Regierungskybernetiker und das FBI für sich arbeiten ließ und sich selbst nicht schonte, er kam zu keinem vernünftigen Ergebnis. Am Nachmittag des fünften Tages zog er mit Patton das Resümee. Das Ergebnis war niederschmetternd. Patton saß da, als hätte er sein Todesurteil erfahren. Wenn sie den Untersuchungen glauben wollten, konnten die Morde gar nicht geschehen sein.
    Weaverly und Lloyd waren erstickt aufgefunden worden, ihre Lungen hatten keinen Sauerstoff mehr aufgenommen, aber warum? Timothy mußte gestehen, daß er noch nie derart penible Obduktionsbefunde in der Hand gehabt hatte. Sie schlossen mit absoluter Gewißheit aus, daß Lloyd und Weaverly an irgendeiner Krankheit gelitten hatten. Man hatte Krebsviren in ihrem Blut gefunden. Aber die Bundespolizei hatte auf Brookers Anweisung genaue Untersuchungen bei Lloyd vorgenommen und festgestellt, daß die Viren erst nach dem Tod injiziert worden waren. Nachdem er erstickt war. Gift oder Drogeneinwirkung mußte ausgeschlossen werden, ganz abgesehen davon, daß weder Lloyd noch Weaverly etwas zu sich genommen hätten, ohne daß es vorher peinlich kontrolliert und eine Probe entnommen worden wäre, die achtundvierzig Stunden in einem Tresor aufbewahrt werden mußte. Man behauptete sogar, Weaverlys Frau hätte ihre Lippen immer erst auf eine Folie drücken müssen, bevor sie ihren Mann küssen durfte. Die

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