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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Sie mich!«
Timothy sah, er hatte Angst. Todesangst. Und er fragte sich, warum er eigentlich Brooker retten sollte. Gab es einen Grund, ihn der Menschheit zu erhalten? Er genoß sogar einen Augenblick lang den Gedanken, daß er es vielleicht in der Hand hatte, den da zum Tode zu verurteilen. Doch dann sagte er sich, daß dadurch nichts geändert wäre. Brookers Sohn würde seine Stelle einnehmen, ein paar Sessel würden ihre Besitzer wechseln, und sonst bliebe alles beim alten.
»Patton steht Ihnen zur Verfügung«, sagte Brooker. »Vereinbaren Sie alles mit ihm. Auch Ihr Honorar. Wenn es Ihnen gelingt, können Sie alles verlangen, was Sie wollen.«
»Eine Frage, Sir Henry«, sagte Timothy. »Warum eigentlich vertrauen Sie Patton?«
»Er ist der einzige, der nur gewinnt, wenn ich lebe. Er hängt geradezu an meinem Leben.«
»Noch eine Frage. Warum sind Sie sicher, daß Weaverly und Lloyd ermordet wurden, wenn, wie Sie sagen, die Polizei auf Sauerstoffnihilation durch Blutkrebs erkannte und es keine Spuren gibt, die auf ein Verbrechen hinweisen?«
»So ist es nun wieder nicht. Die Polizei… Ach was, Patton soll Ihnen alles erklären. Kann ich mich darauf verlassen, daß alles, was Sie erfahren, vertraulich bleibt?«
»Sie sind mein Klient«, sagte Timothy, »und damit meiner Diskretion sicher. Gegen jedermann. Und wenn ich es sage, dann meine ich es auch so.«
Brooker rief Patton herein und gab ihm die Erlaubnis, über alles offen mit Timothy zu sprechen. Dann begleitete er ihn noch bis zur Tür. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Mr. Truckle.«
3
    Patton gab nur wenig von seiner Zurückhaltung auf. Er beantwortete Timothys Fragen, aber auch nicht mehr. Dafür schleppte er Unmengen von Unterlagen in Timothys Wohnung. Timothy sah sie nicht an. Er fragte Patton: »Nun erklären Sie mir erst einmal, warum, zum Henker, sollten die beiden alten Herren nicht eines natürlichen Todes gestorben sein? Sie entschuldigen, wenn ich Krebs in dem Alter als natürlich ansehe. Alt genug waren sie doch.«
    Patton nickte. »Lloyd war zweiundachtzig und Weaverly sechsundachtzig.«
»Alt genug. Wie hat man sie gefunden?«
»In ihren Arbeitszimmern, erstickt, mit Krebsviren im Blut.«
»Na also, bei Blutkrebs erstickt man eines Tages. Das kann jedem von uns passieren. Von heute auf morgen. Bei manchen dauert es nicht einmal eine Woche zwischen Ansteckung und Tod.«
»Weaverly und Lloyd sind nicht an Blutkrebs gestorben. Trotz der Viren, die man in ihrem Blut gefunden hat. Weder Weaverly noch Lloyd konnten an Krebs sterben.«
Timothy sah ihn mit großen Kinderaugen an.
»Sie gehörten zum Club der Unsterblichen«, sagte Patton.
»Wozu?«
»Zum Club der Unsterblichen.« Patton grinste jetzt unverschämt breit. »Ja, so nennen sie sich. Ich habe auch nur durch einen Zufall davon erfahren, aber Brooker hat ja gesagt, ich kann offen mit Ihnen sprechen.«
Timothy legte sich bequem zurecht und faltete die Hände über dem Bauch, »na, dann schießen Sie mal los, junger Mann.«
»Es ist natürlich eine Übertreibung«, begann Patton, »selbstverständlich sind sie nicht unsterblich. Aber sie haben sich vorgenommen, so alt wie nur irgend möglich zu werden. Nun ja, wer, wenn nicht sie. Vielleicht wissen Sie, daß sich seit dem großen Krach kurz nach der Jahrhundertwende die Chemiebosse einmal im Jahr treffen, wie hart sie sich das ganze Jahr auch bekämpfen mögen. Auf einer dieser Tagungen haben sie beschlossen, ihre eigene Person herauszuhalten. Finley von der Interchem hatte die Idee. Er war wohl an Lungenkrebs erkrankt und wußte, daß die United ein Serum entwickelt hatte, es aber zurückhielt. Es ist ja kein Geheimnis mehr, daß über drei Viertel aller Entdeckungen und Erfindungen erst einmal in den Panzerschränken verschwinden, vieles auf Nimmerwiedersehen, und diese Leute wissen es besser als irgendwer sonst. Finley schlug vor, daß sie sich selbst gegenseitig nichts vorenthalten sollten. Er hatte ein Medikament gegen Arterienverkalkung anzubieten. So haben sie den Club gegründet. Weaverly und Lloyd waren Mitglieder. Deshalb können sie nicht an Blutkrebs gestorben sein.«
»Sagen Sie bloß, es gibt schon ein Mittel dagegen.«
Patton zuckte mit den Schultern.
Timothy mußte an die Kliniken denken, die in den letzten Jahren überall aus dem Boden geschossen waren und in denen Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende die letzten ein oder zwei Jahre ihres Lebens verbrachten, in der Hoffnung, doch noch lebend wieder nach Hause zu kommen.

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