Der Mann von Anti
ehrlich. Ein Mädchen wie Cora durfte man nicht drängen, sonst brach alles entzwei. Wenn sie von selber kam… und dieses Glück wollte ich mir keinesfalls verscherzen.
Ihr Gesicht wurde merklich heller. Sie lächelte wieder. »Gut, morgen fangen wir an. Und heute…«
»Und heute?« Ich hielt den Atem an.
Sie wandte mir den Kopf zu und sah mich zum ersten Mal wirklich voll an. Ihre Augen waren klar und tief.
»Komm«, meinte sie, ehe ich etwas sagen konnte, »gehen wir. Das andere kannst du mir im Wagen erzählen.«
Ich bin doch sonst nicht so… so zurückhaltend. Aber Cora hatte etwas in ihrer Art – man könnte sie als ein wenig scheu bezeichnen. In jedem anderen Fall hätte ich mir nicht die Mühe gegeben, sie so zu umwerben. Aber Cora – wenn sie mich ansah, lag Wärme in ihrem Blick, doch auch eine gewisse Angst…
Es muß die Angst vor einer Enttäuschung gewesen sein! All das, was ich von ihren früheren Freunden zu hören bekommen hatte, dürfte schon stimmen, nur liegen die Dinge anders – wie ich freilich erst jetzt weiß! Es scheint, als ob sie davor bangte, daß sie mir nun die Wahrheit offenbaren mußte, da sie in einer solchen Situation, wie sie auf sie zukam, nicht lügen konnte. Das würde auch zu ihrer Bemerkung passen…
»Hast du heute abend ein Stündchen für mich übrig?« »Sicher.«
»Es läuft ein netter Film im Fernsehen. Du könntest ihn dir bei mir anschauen. Etwas Wein habe ich auch noch…«
Sie sah beiseite.
Einige Augenblicke sagte niemand etwas, dann meinte sie: »Gut, ich komme…«
»Du siehst wirklich aus, als ob schwere Kämpfe nötig waren, um ja zu sagen.« Ich lächelte. »Aber wart’s ab, ich glaube, es wird schön werden heute abend.«
»Ich hoffe es… ich hoffe es sehr«, flüsterte sie.
»Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz…«
»Ich erzähle es dir dann. Es ist nicht ganz einfach, denn ich weiß ja nicht… Wir werden sehen…«
Cora war noch nie so bedrückt und unruhig gewesen. Was mochte sie befürchten…?
Ja, das war wohl der Grund – ihre Angst, daß ich sie zurückstoßen könnte, weil sie ein Kunstwesen und kein Mensch war. Offenbar hatten das schon einige Männer getan. Arme Cora!
Ehrlich, Pieter, was hättest du getan?
Sie riskierte es trotz der vielen Enttäuschungen zuvor. Sie wollte sich mir anvertrauen – und ich? Hätte ich die Prüfung bestanden? Mir wurde heiß bei dem Gedanken…
Hatte sie mich so gründlich geprüft, daß sie hoffen konnte, ich würde sie nicht zurückstoßen? Natürlich, sie mußte ja sehr zurückhaltend sein, um nicht aufs neue gedemütigt zu werden. Vielleicht beobachtete sie mich schon, um zu sehen, wie ich auf diese Scheu reagierte – denn wenn sie fühlen konnte, dann konnte sie auch die Demütigung fühlen!
Eine Hitze herrschte hier im Zimmer, geradezu unerträglich! Vergeblich versuchte ich mir Kühlung zuzufächeln.
Wenn sie manche meiner Gedanken erraten hat, dürfte sie ja wissen, wie wenig ich bislang von Mädchen hielt, die sich ewig »zierten«. Verdammt, dann mußte sie eine bessere Meinung von mir haben als ich selbst. Oder war es blindes Vertrauen? Nein, das ganz gewiß nicht. Dafür hatte sie zuviel durchgemacht.
Vielleicht war es einfach – Zuneigung?
Die Sache ist schlimm genug. Eigentlich hätte es Cora nie geben dürfen. Mr. Wilton hätte niemals einen dreistufigen Direktor in seine »Privatassistentin« einbauen dürfen. Doch das ist nun nebensächlich geworden – es gibt sie ja.
Aber ich – ich! – kann doch nicht sie dafür bestrafen, denn Cora kann gewiß nichts dafür, daß sie auf der Welt ist. Sie tat das einzig Mögliche: Sie versuchte, in dieser Welt zu leben. War das etwa falsch? Nein, es war richtig, also muß man ihr helfen und sie nicht bestrafen oder gar töten, denn sie ist die Leidtragende und nicht die Schuldige.
So.
Cora wollte zu den Menschen, das steht fest. Kann man sie zurückstoßen? Mit welchem Recht denn? Es war für sie nicht einfach, und oft wurde sie brutal und mit Abscheu abgewiesen. Sie muß grenzenlos gelitten haben, und dennoch… Wie dürfte man sie jetzt bestrafen!
Und ich muß gegebenenfalls ein Todesurteil sprechen? Wofür sollte ich sie denn verurteilen? Daß sie entstand? Daran ist sie unschuldig. Daß sie herumgestoßen und verabscheut wurde? Dafür kann sie gar nichts. Daß sie so gern ein richtiger Mensch sein möchte? Das ist doch sogar gut. Daß sie mich liebt? Wie kann ich das…? Nein, sie darf nicht sterben!
Sie ist kinderlieb – auch wenn sie nie
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