Der Mann von Anti
vernunftbegabten Werkzeug – aber sein Geschöpf war ihm entglitten. Es hatte Empfindungen entwickelt, die dem Alten unbekannt waren und deshalb unbefriedigt blieben. In Verbindung mit dem hochgradigen, aber von Wilton bewußt einseitig angelegten Intellekt führte das zu einer immer größer werdenden inneren Spannung – wir hätten es Sehnsucht genannt.
Ja, aus einem denkenden war ein fühlendes Wesen geworden. Ob instinktiv oder aus Überlegung, jedenfalls suchte dieses Wesen seine Bestätigung bei den Menschen. Es wollte ihnen gleich werden.
Was Wilton angerichtet hatte, war grandios und abscheulich zugleich. Aber da war doch noch etwas gewesen… irgendwas mit Bioströmen… Was war es nur… Richtig, es hieß, dreistufige Direktoren wären übersensibel für fremde Biofrequenzen und könnten sie auf gewisse Entfernungen nicht nur wahrnehmen, sondern auch ausdeuten. Tatsächlich, das wäre dann fast so etwas wie das Erraten von Gedanken. Wer die Problematik kennt, der…
Arme Cora! Sie hatte also immer gewußt, was man in ihrer Nähe über sie dachte; und wenn auch nur in Umrissen, so war es doch oft mehr als genug.
Immerhin, auf diese Weise konnte sie viel lernen, indem sie einfach mein Verhalten beobachtete – bei einem Film etwa oder bei einem Streit über moralische Probleme. Ich… ich war also ihr Lehrer gewesen? Mir wurde schwindlig.
»Weißt du, Pieter«, sagte sie und lächelte ein wenig, »ich habe eine Ahnung. Du wirst mir gleich erklären, daß wir uns lange genug kennen, um wesentlich schönere Bindungen einzugehen. Ist es wahr oder nicht? Ich sehe es dir an der Nasenspitze an.«
Ich war verblüfft. Es stimmte aufs Haar.
»Aber so einfach ist das nicht.« Ihr Lächeln verflog, ein gewisser Ernst breitete sich aus. »Ich habe zu viele Lügen gehört – für immer zusammen sein und so weiter –, als daß ich sofort daran glauben könnte.«
»Ich… ich hörte davon…«
»So?«
»Anfangs dachte ich sogar… Ich meine, ich befürchtete, du… ich sollte nur…«
»Ich verstehe schon«, flüsterte sie, »du brauchst nichts zu sagen…«
Für eine Weile sprach niemand. Ich bemerkte aber deutlich, daß sich Cora über irgend etwas nicht schlüssig war. Sie sagte zwar nichts, doch nahm ich an, es hätte etwas mit ihrem Vater zu tun.
»Ist dein Vater sehr ärgerlich, weil ich dich so oft entführe – Theater, Kino, Veranstaltungen und das andere… und besonders hierher?«
Sie nickte schwach. »Er sieht es nicht gern, wenn ich mit dir ausgehe. Wenn’s nach ihm ginge…« Sie drehte den Kopf zur Seite und schwieg.
Ich lachte. »Du bist doch großjährig!«
»Aber er wünscht es nicht…«
Darauf konnte ich nur den Kopf schütteln. »Vielleicht solltest du dir eine andere Beschäftigung suchen. Er kann dir doch nicht vorschreiben, wie du zu leben hast. Das mußt du schon selber wissen – er kann dir raten, aber dich nicht kommandieren.«
»Leicht gesagt.« Sie seufzte. »Aber wo? Und als was?«
»Hast du ein Diplom oder so etwas? Fachleute – gerade für die Neuronik – suchen wir händeringend.«
»Einen Abschluß nicht…das ist alles – Selbststudium.«
»Kleinigkeit. Das schaffen wir. Du meldest dich bei einer Prüfungsstelle an. Wir setzen uns zusammen, das meiste kannst du vermutlich schon, dann hast du dein Papierchen, und dann hast du auch die Stelle.«
»Meinst du, daß ich das schaffe? Ich…«
»Mach dich nicht schlechter, als du bist. Du schaffst es, ich helfe dir dabei, und morgen fangen wir an. Einverstanden?«
Coras Gesicht nahm einen Ausdruck an, als ob sie aufmerksam lausche. »Im Ernst, Pieter, du würdest mir helfen, von meinem…«, sie zögerte, »von meinem Vater loszukommen? Mir deine Zeit opfern, um mir mathematische Formeln und physikalische Gesetze beizubringen? Ganz ehrlich?«
Ich verstand ihre Feierlichkeit nicht. »Natürlich«, sagte ich. »Die Hauptsache ist doch, daß du willst!«
Warum zweifelte sie daran? Soviel Zeit würde ich allemal aufbringen. War es nicht einfach rückständig, wie sie von dem Alten in Abhängigkeit gehalten wurde! Wer sollte da ruhig zusehen!
»Und was versprichst du dir davon?«
Jetzt zögerte ich und suchte nach Worten.
»Sei still.« Sie legte mir die Hand auf den Mund. »Ich weiß es auch so. Und… und wenn du dann… enttäuscht bist?«
Ich drückte einen Kuß auf ihre Handfläche. »Cora«, sagte ich, »auch wenn ich dich nur einmal in der Woche sehe – was ändert das schon? Im übrigen hängt alles von dir ab.«
Ich meinte es
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