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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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freundschaftlich.
Der Kater reckte sich und sprang Jason auf den Schoß. Der zuckte zusammen und machte sich steif. Johanna hinunterzuschubsen, wagte er nicht. Der Kater stellte sich auf die Hinterpfoten, stemmte die vorderen gegen Jasons Schulter und begann vorsichtig an dessen Ohr zu knabbern. Es tat nicht einmal weh. Jasons bemächtigte sich ein Gefühl, als läge er auf der Guillotine, bereit, jeden Moment das Sausen des Beils zu vernehmen. Unvermittelt schnurrte Johanna ihm vertraulich ins Ohr. Dann sprang er auf den Boden und verschwand im Gang. Jason holte tief Luft.
»Er mag dich«, versichert Jipsy. »Ihr werdet euch prächtig verstehen.«
Jason, unfähig zu widersprechen, nickte ergeben, nunmehr bereit, über sich ergehen zu lassen, was da kommen mochte.
Als sie sich Stunden später am Fahrstuhl verabschiedeten, fragte Jason plötzlich: »Hast du schon einmal etwas getan, ohne einen bestimmten Zweck damit zu verbinden? Ich meine, nur so, aus einer Undefinierten Freude heraus?«
Jipsy musterte ihn überrascht. Eine solche Frage hatte er nicht erwartet. »Ich glaube, das ist eine Sache der Einstellung. Der eine muß immer wissen, was ihn erwartet, ein anderer lebt von der täglichen Überraschung. Ich gehöre wohl zur zweiten Sorte. Ich habe die Freude der täglichen Überraschung stets gebraucht.«
»Aber ist das nicht ein fürchterlicher Widerspruch zu einem planvollen Leben?«
»Nein«, rief Jipsy, »bestimmt nicht!« Er winkte Jason zu. Der Fahrstuhl setzte sich schleudernd in Bewegung und verschwand rasch in der Tiefe. »Halt die Ohren steif, Söhnchen«, schrie Jipsy aus der Dunkelheit herauf, »den letzten beißen – die Katzen!« Sein Gelächter zerriß im Wind.
Die Ruhe der Nacht hatte Jason gut getan. Sein Schlaf war tief und erholsam gewesen.
    Etwa eine Stunde vor dem Start wurde er durch eine sanfte Stimme, die ihn mit freundlichen Worten zum Aufstehen ermunterte, geweckt. Sie wünschte ihm einen guten Morgen und erinnerte ihn an den bevorstehenden Start. Er riß die Augen auf. Vom Bildschirm lächelte ihn eine junge Dame an und plapperte ihren Morgengruß. Auf dem Sessel neben dem Tisch bemerkte Jason Johanna. Er hatte den buschigen Schwanz um die Vorderpfoten geringelt und schnurrte melodiös. Jason schaltete die junge Dame aus, blickte den Kater scharf an, worauf dessen Schnurren versiegte, und fragte: »Wie kommst du hier herein?« Im gleichen Moment kam ihm seine Frage höchst lächerlich vor.
    Das geht dich gar nichts an, glaubte er jemanden sagen zu hören. Zu seinem eigenen Erstaunen berührte ihn dieser seltsame Vorgang kaum. Mit verschlafenem Gleichmut beschloß er, an einen Traum zu glauben und den Kater zu ignorieren. Tatsächlich war der Gelbe, als Jason nach drei Kniebeugen auf den Sessel blickte, spurlos verschwunden. Na also, dachte er erleichtert. Später nahmen ihn die Startvorbereitungen so in Anspruch, daß er den eigenartigen Tagesbeginn vergaß.
    Der Start verlief ohne Komplikationen. Der graue, narbige Riese stand sicher auf seinem Flammenstrahl und verschwand tosend im schwachen Dämmerlicht des heraufkommenden Tages.
Das Schiff gehorchte dem Willen seines neuen Herrn ein wenig schwerfällig, als müsse es sich erst an ihn gewöhnen, doch der erfahrene Pilot spielte sich rasch auf seine Eigenarten ein. Die Antriebe arbeiteten regelmäßig, und das Schiff beschleunigte innerhalb der Toleranzgrenzen. Nachdem er die Atmosphäre verlassen hatte, erhöhte Jason die Beschleunigung auf den Maximalwert. Der Fußboden begann leicht zu vibrieren, ein schwaches Ächzen lief durch das Schiff, doch der Andruck blieb konstant; die Schwerkraftgeneratoren arbeiteten fehlerfrei.
    Zwei Stunden später lehnte sich Jason zufrieden zurück. Er hatte die Mondbahn hinter sich gelassen. Nach einigen unwesentlichen Korrekturen lag das Schiff auf Kurs. Jason entspannte sich, schloß die Augen und lauschte den gleichmäßigen Geräuschen des komplizierten Organismus, der ihn umgab. Die Konzentration der vergangenen Stunden hatte ihn nicht sehr ermüdet; er war glücklich. Er scheute sich, darüber nachzudenken, woher das kam. Da war etwas Spinnwebenleichtes, das ihn mit jener neuen Welt verband, mit dieser Welt, in der Jipsy zu Hause sein mochte. Jason lächelte. Der Gedanke an den originellen Alten gab ihm Zufriedenheit und die Ruhe, den Kopf an das dunkelfleckige Rückenpolster zu legen.
    Plötzlich war ihm, als hätte deutlich jemand neben ihm gesagt: Du mußt deine Frau anrufen, Jason. Er war

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