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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Gänsehaut über den Rücken. Aus dem Drahtgeflecht war ein Quadrat von zwanzig Zentimetern herausgeschnitten und korrekt neben das entstandene Loch gelegt. Der Korb war leer; der Gelbe hatte einen erfolgreichen Ausbruch unternommen.
Jason weigerte sich zu glauben, was seine Augen sahen. Erst als er das herausgetrennte Drahtgeflecht in den Händen hielt und sich an einer scharfen Schnittkante geritzt hatte, konnte er sich den Tatsachen nicht mehr verschließen: Johanna hatte, offenbar mühelos und mit unglaublicher Sauberkeit, zwei Millimeter starken Eisendraht durchgetrennt.
Trotz seiner mangelnden Erfahrung mit Tieren war ihm klar, daß eine Katze zu einer solchen Handlung niemals imstande sein konnte. Seine Verblüffung dauerte noch an, als jemand auf dem Gang schrill die Melodie zu pfeifen begann: »Ach, du lieber Augustin, alles ist hin.«
Jason ließ den Draht fallen und stürzte zur Tür. Der Gang war leer. Wer sollte auch dort sein! Ihm brach der Schweiß aus. Er fühlte sich krank und hilflos.
Sein Blick wanderte den Gang entlang, da erinnerte er sich des herabgefallenen Blechs. Ungläubig nahm er zur Kenntnis, daß die Stelle, wo er es abgelegt hatte, leer war und daß das Blech sich fest eingerastet an seinem rechtmäßigen Platz an der Decke befand. Er trat näher, reckte sich und rüttelte an den Befestigungen. Dann ließ er die Hand sinken und betrachtete sie wie einen fremden Gegenstand; groß und schwer hing sie an seinem Arm. Er schüttelte ihn. Die Hand baumelte hin und her. Jason kniff die Augen zusammen und blinzelte durch die Lidspalte, abwechselnd links und rechts: Das Schlangengemälde blieb unverrückbar an seinem Platz. Ein drängendes Gefühl breitete sich vom Magen her über seinen ganzen Körper aus; er hätte nicht so fett essen sollen.
Jason hatte die Toilette noch nicht wieder verlassen, als aus dem Lautsprecher eine sanfte Stimme erklang, die den Kommandanten aufforderte, in den Maschinenraum zu kommen. Die Aufforderung wurde zweimal wiederholt, dann knackte es im Lautsprecher.
Jason, im Begriff, den Raum zu verlassen, ließ sich auf den Platz fallen, von dem er sich just erhoben hatte. Eine kribbelnde Spannung zuckte von seinen Fingerspitzen über die Arme zur Kopfhaut. Er meinte das Knistern elektrischer Entladungen in den Haarspitzen zu spüren. Es war ein Geisterschiff, ein dreimal verfluchtes Geisterschiff.
Er machte sich klar, daß ihm, wenn er die Dinge weiterhin dem Selbstlauf überließ, ein Platz in einem Sanatorium sicher sein würde. Entschlossen erhob er sich und eilte zum Maschinenraum.
Er konnte keine andere Erklärung geben: Jipsy hatte, vielleicht mit ernsthafter Absicht, vielleicht, um ihm einen Streich zu spielen, irgendwo einen Tonspeicher untergebracht. Dem wollte er auf die Spur kommen. Jetzt galt es, so normal wie möglich zu reagieren, um einen klaren Kopf zu behalten. An ihm sollte der Alte mit seinen sonderbaren Einfällen keine Freude haben. Er würde sich nicht nervös machen lassen, er nicht, da mußte sich Jipsy einen Dümmeren suchen. Und dann würde er erst einmal dieses Katzenvieh fangen und herausbekommen, was es damit auf sich hatte.
Doch zwischen diese Überlegungen mischten sich Geschichten, die man sich in einsamen Stunden auf fernen Asteroidenstationen erzählte, von lebenden Gasnebeln, pulsierenden Planeten, von fleischfressenden Kometen und hypnotisierenden Strahlenfeldern, die die Sinne der Piloten verwirrten, so daß die Schiffe weit ab von jeglicher Zivilisation auf öden, durchs All irrenden Felsbrocken zerschellten, bis sie nach Jahrzehnten vielleicht zufällig gefunden wurden, die Mannschaft im eisigen Schlaf.
Jason versuchte sich der Phantasterei zu erwehren, doch ein finsterer Winkel seiner überreizten Phantasie gab keine Ruhe. Er versuchte, algorithmisch die Geschehnisse miteinander zu verknüpfen. Was war geschehen? Eigentlich nichts Bemerkenswertes: eine Störung in der Fernsehübertragung, irgendwo hatte ein Ventil gepfiffen oder eine nicht verschlossene Tür gequietscht; es war eben ein altes Schiff mit einem Menschen an Bord, dem Kommandanten Jason, und einem dressierten Kater. Der Draht des Korbes war altersschwach gewesen, und alles andere war pure Einbildung seiner überreizten Sinne. Den Rest mochte Jipsy besorgt haben, der listige Alte. Was mochte er nur damit bezwecken?
Jason betätigte die Havarieöffnung des schweren Sicherheitsschotts, das den Gang gegen den Maschinenraum abschloß. Zurückschnellend, gab die Wand den Weg

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