Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
Vom Netzwerk:
erstaunt über die Kraft der Einbildung, die so deutlich und drängend gewesen war, daß er nun ungeduldig auf die Verbindung wartete. Es bemächtigte sich seiner die gleiche Ungeduld, wie er sie vor fünf Jahren empfunden hatte, als sie sich ineinander verliebten.
    Sie begrüßten sich zärtlich, und als sie sprach, fiel Jason eine Veränderung in ihren Zügen auf. Es wollte ihm unvorstellbar erscheinen, daß sie sich in der kurzen Zeit von vier Tagen verändert haben sollte. Er bemerkte plötzlich eine lebendige Unruhe in ihren Zügen, die so neu, so überraschend für ihn war, daß es ihn fast erschreckte. Auch ihre Enttäuschung, daß er unterwegs zur Venus war, war anders als sonst, zärtlicher, wehmütiger. Vielleicht war ihr Gesicht sanfter, ihre Traurigkeit tiefer, ihr Frohsein heller geworden. War es möglich, daß sie, von ihm unbemerkt, an Ausdrucksfähigkeit gewonnen hatte wie ein Fluß, der im Frühjahr die Ruhe abwirft?
    Überrascht und verwirrt, berichtete er das Notwendigste über seinen Auftrag. Nur über Jipsy lieferte er einen ausführlicheren Bericht, fast liebevoll wie über einen Freund.
    Sie ließ ihn sprechen und gestattete ihm hier und da einen Bogen, wenn er etwas Unangenehmes umgehen wollte. Ihr Gesicht wurde froh, während er sprach, und manchmal lächelte sie ein wenig, weil sie es gut fand, daß er zur Venus flog. Sie war nicht begeistert, aber sie fand es gut und notwendig, und sie würden sich später sehen, dicht voreinander stehend, nebeneinander liegend – wie immer. Es war gut so.
    Jason war dankbar für ihr stillschweigendes Verständnis, und es drängte ihn auf einmal, mehr zu erzählen. So geriet der letzte Teil seiner Erzählung, in dem Johanna eine bedeutende Rolle spielte, breiter und farbiger. Jason empfand, angeregt durch die Heiterkeit seiner Frau, das Komische seiner Situation und brach, als er geendet hatte, ebenfalls in Gelächter aus.
    Da sagte neben ihm eine Stimme sanft, aber akzentuiert: »Hör endlich mit dem Gequatsche auf. Wir sind bereits in der zweiten Kontrollzone. Melde dich gefälligst bei der Orbitalstation.«
»Was ist?« fragte seine Frau. »Bist du nicht allein an Bord?«
    Jason gefror das Lachen auf den Lippen. »Doch, doch«, stotterte er und sah vorsichtig nach links, als erwarte er dort Beelzebub persönlich. Es war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Lediglich Johanna hockte am Ende des Steuerpults und spielte mit einem Schalter.
»Es ist nichts!« rief Jason erleichtert. »Johanna hat beim
    Spielen den Kanal der Orbitalstation in Betrieb genommen. Wahrscheinlich will mich irgendein Spaßvogel dort auf meine Pflichten aufmerksam machen.«
    Er verabschiedete sich hastig. Als das Bild seiner Frau verschwunden war, nahm er die Plasttasse, aus der er gerade Kaffee getrunken hatte, warf sie wütend nach Johanna und wandte sich dem Funkgerät zu, um seinen Pflichten nachzukommen. Als er mit der Routinemeldung beginnen wollte, bemerkte er aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung. Er hatte gerade noch Zeit, den Kopf einzuziehen, um der mit kräftigem Schwung zurückkehrenden Tasse auszuweichen. Sie prallte scheppernd gegen die Wand.
    Auf dem Bildschirm erschien das erwartungsvolle Gesicht des Diensthabenden der Orbitalstation. Jason absolvierte hastig die übliche Meldung. Er faßte sich kurz, da die wichtigsten Daten, einschließlich seiner Körperfunktionswerte, ohnehin automatisch übermittelt wurden. Als er fertig war, schaltete er ab und blickte sich um. Johanna war verschwunden. Er suchte seine Tasse und fand sie neben dem Eingang auf dem Boden. Sie sah aus wie sonst; ein paar eingetrocknete Kaffeereste auf weißem Grund, kein Anhaltspunkt. Nachdenklich ging er zu seinem Platz zurück und versuchte die vergangenen fünf Minuten zu rekonstruieren. Er hatte die Tasse tatsächlich geworfen, und er hatte sie tatsächlich neben der Tür wiedergefunden. Wie war sie dorthin gelangt? Da er nicht an ein Wunder glauben wollte, auch keinerlei Dringlichkeit bestand, an der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit zu zweifeln, konnte es nur einen Schlüssel geben: Johanna. Irgend etwas stimmte nicht mit dem Kater. Vorsichtig erhob er sich und begann die Zentrale zu durchsuchen. Doch der Gelbe blieb verschwunden.
    Jason gab die Suche schließlich auf. Er verspürte Hunger, denn er hatte seit dem Morgen nichts zu sich genommen. Bevor er in die kleine Pantry ging, zog er sich bequeme Hausschuhe an; ein gewisses heimisches Gefühl stellte sich ein. Dicht hinter dem Eingang

Weitere Kostenlose Bücher