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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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hervor. Ab und zu ertönte, dumpf wie aus einer Gruft, ein Fluch.
Auf Jasons Frage, ob er helfen könne, verneinte Jipsy, er wäre gleich fertig.
Jason sah sich um. Der Raum war kreisrund. In der Mitte befand sich das U-förmige Hauptsteuerpult mit den beiden Pilotensitzen, von denen nur noch einer Berechtigung hatte, denn seit Jahren wurden die erdnahen Flüge von einem Piloten besorgt. Die Decke des Raumes wölbte sich zu einer fünf Meter hohen Kuppel, die als Panoramasichtschirm den Blick auf die über dem Schiff dahinjagenden Wolken, zwischen denen sich ab und zu ein Stück sternklaren Himmels zeigte, freigab. Die lautlose Stille, mit der das geschah, war Jason unheimlich. Wahrscheinlich waren die Außenmikrofone nicht eingeschaltet, vielleicht funktionieren sie auch nicht. Und so flohen die Wolken in schmerzhafter Stille über den Himmel, als wollten sie ihre Flucht verheimlichen und den Beobachter an einen Traum glauben lassen.
Wenigstens das Panorama ist in Ordnung, dachte Jason erleichtert. Er senkte den Blick. Die Wände sahen hier noch schlimmer als im Gang oder in der Schleuse aus. Die Darstellungen ähnelten phantasiereichen Höhlenmalereien, dazwischen ergossen sich fettige Schmutzflecke und Farbspritzer, die von einem verwirrenden Geschlinge von Kratzern und Schrammen durchsetzt waren. Teilweise fehlten die Verschalungen und gaben den Blick auf brüchig anmutende Kabel und Leitungen frei. Es roch nach heißen Isolierungen. Hier und da tropfte es aus einem Flansch, oder ein weißes Dampfwölkchen zischte hervor.
Jason schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, daß das fliegen sollte. Beim Start würde es vermutlich einen Knall geben, und hunderttausend Teile würden ihren eigenen Weg nehmen. Eigenartigerweise belustigte ihn diese Vorstellung für einen Moment.
Doch dann überkam ihn ein rebellischer Ausbruch. Wahrhaftig überstieg der Grad der Verrottung bei weitem seine Fassungsbereitschaft. Sein Leben lang hatte er keinen Grund gehabt, mit seinem Schicksal zu hadern. Was er angriff, gedieh. Ein feiner Spürsinn hatte ihm stets gesagt, wo eine Sache Aussicht auf Erfolg hatte und wo nicht. Er war wie ein Digger, der den fündigen Claim riecht: nie unnütze Arbeit, nie Zeitverschwendung. Das war sein Erfolgsrezept.
Jipsy schlurfte heran. »Mußt dich nicht an solchen Kleinigkeiten stören«, sagte er ruhig. »Es ist alles fabelhaft in Ordnung. Wirst sehen, wie gut ich alles in Gang gebracht habe. Es läuft, das Maschinchen, glaub nur.«
»Ja, gestern vielleicht oder vorgestern!« rief Jason, erbittert über soviel Eigenliebe. »Inzwischen hat die Hälfte aller Aggregate das Zeitliche gesegnet.«
»Du übertreibst, Söhnchen.« Jipsy schmunzelte. »Wenn wirklich etwas nicht mehr funktionieren sollte, dann handelt es sich um Nebensächlichkeiten, die du bequem mit der Hand erledigen kannst. So ein Schiffchen zu fliegen ist schließlich nicht jedermanns Sache.«
»Ich pfeif auf die Ehre!« rief Jason. »Sind denn schon Holz und Kohlen gebunkert, damit ich die Dampfmaschine anheizen kann, ist die Sanduhr frisch gefüllt, damit ich mich nicht etwa um eine tausendstel Sekunde verrechne? Ich werde mich sofort daranmachen, die Lampen mit Petroleum aufzufüllen!« Jipsy grinste. Die Fältchen auf seinem Gesicht vertieften sich. »Bist verwöhnt, Söhnchen. Wer sein Lebtag die großen, lichtschnellen Kisten zu fliegen gewohnt ist, ist ein feiner Pinkel geworden, wie? Da will man sich nicht mehr die Hände drekkig machen. Hast deine Bequemlichkeit in den modernen Dingern, bist der Herr Kommandant, flirtest mit den hübschen Weibern.«
Das Lächeln auf Jipsys Gesicht war eingefroren, seine hellen Augen blickten aufmerksam. »Alpha Centauri, Orion hin und zurück; vier Sternchen und den Kometenschweif am Kragen, und noch keine vierzig Jahre.«
»Quatsch«, knurrte Jason, »vielleicht glaubst du noch, ich hätte Angst.«
»Warum solltest du auch«, erwiderte Jipsy. »Der Transporter ist freigegeben worden zum Flug. Er sieht eben schlimmer aus, als er ist. Du bist der einzige greifbare Kosmonaut mit Erfahrung. Das Zeug muß zur Venus. Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre, ich würde selber fliegen.«
Der Vorwurf war unüberhörbar. »Ja, ja, hör auf, Herr Gott noch mal«, stieß Jason gereizt hervor. »Sag bloß, ihr habt keinen Piloten hier auf dem Platz, der das nicht könnte.«
»Doch, haben wir, Söhnchen«, erwiderte Jipsy kalt. »Die von der Havarieflottille. Vielleicht fragen wir einen.

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