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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Dinge?«
    »Niger«, gab Malise knapp zurück.
    »Nigeria?«
    »Nein, Niger«, sagte Malise ungeduldig, »schon mal von den Tuareg gehört?«
    Kate nickte. Ja, sie hatte mal eine Dokumentation gesehen über das schöne Nomadenvolk. Ihr war in Erinnerung geblieben, daß dort die Männer verschleiert waren statt, wie sonst, die Frauen.
    »Komm mit«, forderte Malise sie auf und ging vor ihr her die Treppe hoch.
    Oben setzte sich die fremdartige Einrichtung fort, nur in den beiden Kinderzimmern fanden sich vertraute Gegenstände wie Regale, Schreibtische und Spielzeug.
    »Wie kommt es, daß du …«
    »Ich habe sechs Jahre dort gelebt«, beantwortete Malise die noch nicht zu Ende gestellte Frage.
    Kate half ihr, einen tonnenschweren Schrank zu verrücken.
    »Hast du nicht einen Freund für solche Jobs?« japste sie, mit Blick auf den zweimarkstückgroßen Knutschfleck, der unübersehbar auf Malises Hals prangte.
    »Kerle brauche ich zum Vögeln, zu sonst gar nichts«, kam die knappe Antwort.
    Sie setzten den Schrank ab.
    »Danke«, sagte Malise, und es blieb offen, ob sie Kates Hilfe oder ihren nächtlichen Beistand meinte.
    »Tasse Tee?«
    Kate nahm die Einladung überrascht an. Während Malise in der Küche hantierte, schlenderte sie durch den Garten. Er hatte den Grad gepflegter Verwilderung, den sie mochte. Rosen, Ginster, Johannisbeeren und ein paar andere Büsche, deren Namen sie nicht kannte, waren in lockeren Abständen gepflanzt. Einige Terrakotta-Töpfe mit Hibiskus, Hyazinthen und Geranien zierten die Terrasse, an der Außenwand rankten Kletterwicken und wilder Wein. Das Ganze hatte etwas Beiläufiges. Nicht jene zwanghafte Ordnung wie auf der anderen Seites des Zauns, wo die Blumen aufgereiht standen wie bei einer Militärparade.
    Kate stutzte. Was war denn das?
    Sie trat näher. JAKOB * 17.7.90 stand auf dem kleinen Holzschild, das am Stamm eines Rosenbäumchens befestigt war.
    Was bedeutete das?
    Sie dachte an eine Grabinschrift, bis sie bemerkte, daß vor dem Datum ein Sternchen stand, kein Kreuz. Ein Geburtsdatum also, offensichtlich das von Malises mittlerem Sohn.
    Kate schaute sich suchend um. Tatsächlich, ein Stück weiter entdeckte sie ein zweites Schild und schließlich ein drittes; sie waren mit den Namen und Geburtsdaten von Simon und David beschriftet. Ein viertes, sehr viel kleineres Schild irritierte sie. Es stand nur ein einziger Buchstabe darauf, ein »J«.
    Das konnte nicht dazugehören; vielleicht war es das Grab eines Vogels oder eines Igels, das die Kinder angelegt hatten.
    »Das sind die Kraftorte meiner Kinder«, erklärte Malise, die, ein Tablett mit Teegeschirr in den Händen, in den Garten getreten war. Zwischen ihren Lippen hing ein halbgerauchter Zigarillo.
    »Kraftorte?«
    »Ihre Plazenta liegt dort vergraben. Das Organ, das ihnen die Kraft zum Leben gegeben hat.«
    »Im Ernst?«
    Kate fühlte eine Mischung aus Abscheu und Belustigung. Sie stellte sich vor, wie Malise nach jeder Geburt einen blutigen Fleischklumpen in einem Tupperwarebehälter aus der Klinik nach Hause getragen und vergraben hatte.
    »Ich habe die Kinder hier bekommen«, sagte Malise, als hätte sie Kates Gedanken gelesen. »Den richtigen Platz habe ich vorher ausgependelt. Wenn einem der Kindern heute etwas fehlt, muß ich nur ein bestimmtes Ritual dort ausführen, dann wird das Kind wieder gesund.«
    Malise reichte Kate eine Tasse, der ein fremdartiger Duft entströmte. Kate schnupperte.
    »Tuareg-Tee?«
    »Genau.« Malise lächelte spöttisch. »Aus getrockneter Kamelscheiße.«
    Das Gebräu roch tatsächlich leicht nach Dung, aber der Geschmack war nicht schlecht. Schweigend schlürften die Frauen einige Schlucke. Kate stellte ihre Tasse ab. Ihr gingen eine Menge Fragen durch den Kopf, aber Malise hatte sich bisher nicht besonders gesprächig gezeigt.
    »Wie bist du ausgerechnet nach Afrika gekommen?« wagte sie schließlich zu fragen.
    »So, wie die meisten Frauen irgendwohin kommen, durch einen Mann. Georg ist Ethnologe.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    Malise machte eine Armbewegung, die soviel hieß wie: irgendwo auf der Welt, keine Ahnung.
    »Du weißt nicht, wo er ist?« Kate sah sie überrascht an.
    Malise drückte ihren Stumpen aus, und begann, das Geschirr aufs Tablett zurückzuräumen.
    »Weißt du, Männer kommen und gehen«, erklärte sie. »Ich habe beschlossen, mich nicht mehr auf einen festzulegen.«
    »Wie lernst du hier draußen neue Männer kennen?« fragte Kate erstaunt.
    »Die laufen mir zu«,

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