Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
Vom Netzwerk:
behauptete Malise. »Na ja, und wenn sie nicht von alleine kommen, helfe ich mit ein bißchen Zauberei nach.«
    »Zauberei?«
    »Ich habe bei einem Marabout gelernt. Das sind die Heilkundigen bei den Tuareg. Eigentlich dürfen Frauen nicht in den Besitz dieses Geheimwissens kommen, aber weil ich ihm vorgemacht habe, daß ich im Stehen pinkeln kann, war ich für ihn ein Kerl.«
    Kate starrte Malise ungläubig an. »Du hast was?«
    »Kennst du das nicht? Du mußt nur das Becken fest nach vorne drücken und die Muskeln anspannen, dann pinkelst du einen hübschen gebogenen Strahl.«
    Kate kicherte. »Und worin besteht dieser Liebeszauber?« fragte sie neugierig.
    Malise sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich dir das verrate?«
    »Aber woher weiß ich dann, daß du mich nicht auf den Arm nimmst?«
    »Seh’ ich so aus?« Malise zog eine Augenbraue hoch.
    »Na ja, bei dir weiß man nie. Laut Inge bist du ja berühmt für deine Geschichten.«
    »Mußt du selbst wissen, was du glaubst und was nicht«, sagte Malise gleichmütig.
    Kate zögerte einen Moment, dann fragte sie: »Sag mal, warum warst du eigentlich die ganze Zeit so komisch zu mir? War es wegen dem Fahrrad?«
    Malise richtete ihre dunklen Augen direkt auf sie.
    Es war, als würde sie Kate zum ersten Mal wirklich ansehen.
    »Nimm dich in acht vor Mattuschek«, sagte sie unvermittelt.
    Kate wurde ganz aufgeregt.
    »Warum? Was weißt du über ihn?«
    »Er ist eine Ratte.«

FÜNF
     
    D ie Hitze war schier unerträglich. Schon morgens war es so drückend, daß Kate aufs Laufen verzichten mußte; tagsüber unterbrach sie mehrmals ihre Arbeit, um sich unter der eiskalten Dusche zu erfrischen. Endlich kündigte sich ein Gewitter an, und Kate beschloß, die zu erwartende Abkühlung zum Laufen zu nutzen.
    Der Himmel hatte sich zugezogen, ein heftiger Wind trieb dunkelgraue Wolken vor sich her. Kate wartete den ersten heftigen Regenschauer ab, dann startete sie.
    Es fühlte sich herrlich an, wenn das kühle Wasser auf ihrer Haut auftraf, sich leicht erwärmte und in kleinen Bächen über ihren Körper rann. In Sekundenschnelle waren ihre Schuhe durchgeweicht und gaben bei jedem Schritt ein quietschendes Geräusch von sich. Es war ihr egal, sie hatte sich mehrere Tage kaum bewegt und fühlte sich wie ein Junkie, der endlich die ersehnte Dosis in seine Adern pumpt.
    Mit hohem Tempo lief sie Richtung Wald; solange es blitzte, fühlte sie sich in Gesellschaft der Bäume sicherer als auf freiem Feld.
    In Gedanken versuchte sie, eine kleine Bilanz zu ziehen. Alles schien sich zum Guten zu wenden. Sie hatte Schülerinnen, sie hatte den Auftrag. Langsam entstand der Kontakt zu den drei Frauen; auch Malise schien ihre feindselige Haltung abgelegt zu haben. Und, was das schönste war: Vor ein paar Tagen war Samuel gemeinsam mit Simon aus der Schule gekommen; den ganzen Nachmittag hatten sie zusammen gespielt.
    »Simon ist jetzt mein Freund«, hatte Samuel verkündet, und Kate hatte gerührt in sein freudestrahlendes Gesicht geblickt. Vielleicht würden sie doch heimisch werden hier draußen.
    Der Regen hatte sich wieder verstärkt, nicht einmal die Bäume konnten die Fluten bremsen, die vom Himmel strömten.
    Der Weg vor Kate hatte sich in einen Bach verwandelt. Plötzlich blitzte es zweimal hintereinander, und ein tosender Donner rollte heran.
    Kate erschrak heftig. Sollte sie sich unter einen Baum stellen? Wie war das noch, Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen? Sie entdeckte weder Eiche noch Buche, sondern nur jede Menge Fichten.
    Der Weg wurde zu einer Art Hohlweg; auf der einen Seite war der Wald, auf der anderen lag ein Maisfeld. Wieder blitzte es, danach ein wütender Donner, noch lauter als der letzte. Kate beschloß, auf dem schnellsten Weg nach Hause zu laufen. Auch wenn sie an der Stelle vorbeikäme, wo sie die tote Frau gefunden hatte.
    Sie lief, die Augen auf den Boden gerichtet, um angeschwemmtem Schotter auszuweichen. Schlagartig war es finster geworden. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht, der starke Wind erschwerte das Fortkommen.
    Als sie aufblickte, sah sie einen Wagen, der mit aufgeblendeten Scheinwerfern direkt auf sie zukam. Sie stutzte. War ihr nicht kürzlich schon mal ein Auto aufgefallen, das sich merkwürdig lange in ihrer Nähe aufgehalten hatte?
    Tak-tarak, tak-tarak. Ihr Herz hämmerte, nervös sah Kate sich nach einem Fluchtweg um. Links von ihr war dichtes Unterholz, dort würde sie keine drei

Weitere Kostenlose Bücher