Der Mann von Nebenan
zusammen.
»Ich verstehe nicht … Wo gehst du hin?«
»Zurück zu den Aborigines.« Nellis lächelte.
»Aber warum? Habe ich irgendwas falsch gemacht?«
Er lachte. »Aber nein! Es ist wunderbar mit dir. Die Entscheidung, wegzugehen, habe ich schon lange getroffen. Ich habe in Sydney ein tolles Jobangebot, nebenbei kann ich weiter schreiben, und außerdem …«
»… hast du die Frau deines Lebens kennengelernt«, vollendete Kate bitter seinen Satz.
»So kann man es nicht sagen«, wehrte Nellis ab, »aber alles ist möglich.« Sein Blick wurde verträumt.
Kate fühlte Zorn in sich aufsteigen. Hätte er nicht mal einen Ton sagen können, statt sie in der Illusion zu wiegen, das, was zwischen ihnen geschehen war, hätte irgendeine Bedeutung?
Nach kurzer Zeit war es so gewesen, als hätten sie schon immer in diesem Haus zusammengelebt. Tagsüber schrieb Nellis an seinem Reisebericht, Kate arbeitete in der Werkstatt und empfing ihre Schülerinnen. Abends kochten sie zusammen oder machten Ausflüge in nahegelegene Biergärten. Nachts schliefen sie zusammen.
Samuel hatte die Spielregeln sofort begriffen. Er stellte keine Fragen und sagte nichts, was sie dazu gezwungen hätte, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Sogar Bobitt war Teil des Szenarios geworden; nach anfänglichem Mißtrauen gegen den feuerspeienden Gast hatte er sich am zweiten Abend auf Nellis’ Schoß zusammengerollt und sich kraulen lassen.
Irgendwann begann Kate zu glauben, sie beide hätten eine Zukunft. Warum sollte nicht einfach alles so weitergehen? Es fühlte sich gut an, nicht mehr alleine zu sein. Auch Nellis hatte so gewirkt, als sei er zufrieden. Und jetzt das.
Fast hätte Kate ihrer Enttäuschung Luft gemacht, aber sie wollte sich keine Blöße geben. Wenn ein Typ ein paarmal mit einer Frau schlief, bedeutete das bekanntlich noch lange nicht, daß er irgendwas von ihr wollte. Mit fünfunddreißig hätte sie das wissen müssen.
Sie drehte sich schweigend weg.
Seine Hand tastete nach der ihren. »Ich wollte dir nicht weh tun. Ich dachte, zwischen uns sei alles klar.«
»Dachte ich auch«, murmelte Kate.
Er hielt ihre Hand gedrückt. Dann sagte er munter: »Also, wie sieht’s aus, willst du das Haus kaufen?«
»Wovon denn?« schnaubte Kate. »Ich bin völlig pleite.«
Nellis sah sie überrascht an. Er war zu Recht davon ausgegangen, daß Kate einiges auf der hohen Kante haben müßte.
»Die Zinsen sind zur Zeit so günstig wie seit Jahren nicht. Wenn du jetzt einen Kredit aufnimmst, zahlst du monatlich auch nicht mehr als das, was du sonst für die Miete hinlegen würdest.«
Kates Gesicht bekam einen nachdenklichen Ausdruck.
Ein eigenes Haus. Endlich wieder irgendwo hingehören. Ihre Werkstatt behalten. Nicht mehr umziehen müssen. Die Vorstellung war verlockend. Äußerst verlockend.
Sie sah Nellis eindringlich an und sagte: »Bist du ganz bestimmt ehrlich zu mir, wenn ich dich jetzt was frage?«
»Ich werde mich bemühen. Was willst du denn wissen?«
»Stimmt es, daß in diesem Haus vor fünfzig Jahren eine Familie umgebracht wurde?«
Nellis sah sie entgeistert an, dann brach er in Gelächter aus. »Das hast du von Malise, richtig?«
Kate nickte.
»Das hat sie mir damals auch erzählt, als ich eingezogen bin.«
»Dann ist es also wahr?«
»Eben nicht. Später hat sie zugegeben, daß es Quatsch war. Sie fand mich blöd und wollte mich vertreiben.«
Kate schüttelte den Kopf. Diese Frau war doch unglaublich!
»Also gut, Nellis, ich überleg’s mir«, sagte sie dann und begann, heimlich die Knöpfe am Bettbezug zu zählen. Gerade hieß: Kaufen. Ungerade hieß: Nicht kaufen.
»Überleg nicht zu lange, sonst steigt der Preis«, scherzte Nellis.
»Bedenken Sie, es ist ein Liebhaberobjekt!« sagte Kate und bedachte ihr Gegenüber mit ihrem verführerischsten Lächeln.
Alfons Petz, langjähriger Leiter der Kreditabteilung, blieb unbeeindruckt.
»Für Sie vielleicht. Für mich ist es ein baufälliger, alter Kasten.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, empörte sich Kate.
»Haben Sie sich das Haus mal genau angesehen?«
»Das seh’ ich auf den ersten Blick«, erwiderte Herr Petz und ließ die Daumen seiner verschränkten Hände kreisen.
Kate sprang auf. »Wissen Sie was? Ich zeige Ihnen jetzt das Haus. Und danach sagen Sie mir, ob es Ihnen als Sicherheit genügt oder nicht!«
Während des kurzen Spaziergangs durchs Dorf redete Kate mit Engelszungen auf den Bankmann ein. Sie wollte das Haus. Sie brauchte
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