Der Mann von Nebenan
stieg die Stimmung unaufhaltsam; der ehemalige Hausherr blickte mit gemischten Gefühlen auf die glänzenden Augen, lachenden Münder und sich auflösenden Frisuren der weiblichen Gäste.
Ganz offensichtlich animierte die Anwesenheit eines attraktiven Mannes die sonst so spröden Damen, deren gemeinsames Schicksal ein gewisser Mangel an männlicher Präsenz war. Ein alter Vater, ein nestflüchtiger Ehemann, ein paar wechselnde Liebhaber – darin bestand das nicht eben überwältigende maskuline Personal ihres Lebens.
Rita gab einen Witz zum besten: »Was wird aus einem Glühwürmchen, nachdem es Viagra genommen hat?«
Erwartungsvolles Schweigen.
»Eine Stehlampe!« prustete sie.
Inge wedelte hektisch mit den Armen, um sich Gehör zu verschaffen.
»Kommt ein Matrose ins Krankenhaus. Eine Schwester verbindet seine Oberschenkelverletzung. Den Kolleginnen erzählt sie, der Mann habe auf seinem Penis das Wort«Rumbalot»eintätowiert.« Stimmt gar nicht», sagt die Schwesternschülerin, als sie aus seinem Zimmer kommt.« Es heißt: »Ruhm und Ehre der baltischen Flotte!«
Großes Gelächter. Nellis sah kopfschüttelnd in die Runde.
»Ihr seid echt härter drauf als die meisten Männerstammtische.«
Rita schlug ihm auf die Schultern, daß er hustete.
»Sei nicht so empfindlich! Erzählt man sich bei den Pygmäen keine Witze?«
Sie war dazu übergegangen, den Wein direkt aus der Flasche zu trinken.
»Du meinst Aborigines«, korrigierte Nellis, »nicht Pygmäen.«
»Ist doch ganz egal. Wann haust du denn nun ab?«
»Morgen früh.«
Es gab Kate einen Stich. Schon wieder wurde sie verlassen. Warum hielt es eigentlich keiner mit ihr aus?
Inge versuchte, Rita die Flasche zu entwinden, aber Rita setzte sich erfolgreich zur Wehr.
»Wo ist eigentlich Alex?« erkundigte sich Nellis, dem offenbar nach männlicher Verstärkung zumute war.
»Hütet sein Kind, einmal in fünf Monaten«, sagte Rita. »Wenn ich geahnt hätte, was auf mich zukommt, wäre ich nicht so wild aufs Heiraten gewesen«.
»Was hast du eigentlich früher gemacht?« fragte Kate, die neugierig war, ob all die Gerüchte über Rita stimmten.
»So eine Art Überlebenstraining«, erklärte Rita ausweichend.
»Warst du wirklich im Gefängnis?«
»Wer hat dir das denn gesteckt?« Rita war sichtlich überrascht.
»Na ja, wird so rumerzählt im Dorf.«
»Tja, dann wird es wohl stimmen.«
»Was hast du denn ausgefressen?« fragte Kate interessiert. Sie kannte niemanden, der schon mal im Gefängnis gewesen war.
»Ach, Kleinkram. Ladendiebstahl, Betrug, Einbruch … nichts Ernstes.«
Kate hörte staunend zu.
»Bist du jetzt geschockt?« fragte Rita mit Kleinmädchenstimme, und Kate spürte plötzlich ihre Angst vor Zurückweisung.
»Na ja, vielleicht eher überrascht. Wie ist das denn passiert? Ich meine … du wirkst gar nicht so …«
Als wolle sie Rita schützen, schaltete Inge sich ein.
»Wie man halt in so was reinrutscht. Die falschen Vorbilder, der falsche Umgang, geht doch ganz schnell!«
»Und Alex …«, setzte Kate an.
»… hat mich da rausgeholt, ja«, sagte Rita trotzig.
»Ich wollte auch so ’n nettes bürgerliches Leben haben wie ihr alle. Mann, Kinder, eigene vier Wände, ist ja wohl nicht zuviel verlangt!«
Aber ganz so einfach, wie Rita sich das erträumt hatte, war es wohl doch nicht gewesen, dachte Kate. Jetzt hockte sie hier auf dem Land, hatte ein Baby und einen Mann, der nie zu Hause war.
»Wie lange willst du dir die Schweinereien von Alex eigentlich noch gefallen lassen?« fragte Malise.
Rita nahm einen kräftigen Schluck. Ihre Augenlider hingen auf halbmast, ihre Zunge war schwer.
»Keine Ahnung. Weißt du was Besseres?«
»Rausschmeißen«, befand Malise kategorisch. »Das ist immer noch besser, als am ausgestreckten Arm zu verhungern.«
»Vielleicht liebt sie ihn?« wagte Kate einzuwenden.
»Vielleicht vögelt er gut?« fragte Inge.
»Vielleicht verdient er gut?« echote Malise.
»Haltet die Klappe«, lallte Rita.
»Ich hole noch ein bißchen Wein«, schlug Nellis vor und stand auf. Die unerwarteten Einblicke ins weibliche Seelenleben schienen ihm zu gefallen. Offenbar glaubte er, durch weiteres Verabreichen von Alkohol an noch aufschlußreichere Informationen zu kommen.
»Wir sollten um ihn pokern«, schlug Malise vor, als Nellis außer Hörweite war.
»Gute Idee«, stimmte Rita zu.
Inge nickte. »In Ordnung. Wo sind die Karten?«
Kate stand auf, um ein Kartenspiel aus dem Schrank zu
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