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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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spürte das Verlangen, ihm ins Gesicht zu spucken.
    Draußen tobte Olga den Flur auf und ab.
    »Ich verstehe den Kerl nicht – warum tut er so was? Er ist total parteiisch!«
    »Vielleicht spielt sein Nachbar Trompete, und er haßt alle Musiker«, überlegte Kate.
    »Ach, Quatsch! Wahrscheinlich hat er nur Blähungen, oder seine Alte hat ihn heute nacht nicht rangelassen.«
    »Und was machen wir jetzt?« fragte Kate, deren Ratlosigkeit ebenso groß war wie ihr Vertrauen in Olga.
    »Du hast gehört, was er dir angeboten hat. Sofortiges Unterrichtsverbot oder gleich die nächste Anzeige. Welche Möglichkeit wählst du?«
    Kate sah Olga groß an. Sollte das heißen, ihre Freundin konnte ihr gar nicht helfen? Sie war diesem Scheusal Mattuschek und der Willkür irgendeines Richters ausgeliefert?
    Wieder kam der Schwindel. Kate griff nach einem Fensterbrett, um sich festzuhalten. Sie verfehlte es um Millimeter.
    »Was ist mit dir?« hörte sie Olgas erschrockene Stimme, dann versank alles in einem milchigen Nebel.
     
    »Die Sitzung wird vertagt«, hörte Kate, als sie das Bewußtsein wiedererlangte. Sie spürte einen Luftzug, als der Richter an ihr vorbeiging.
    »Gute Besserung«, sagte er, aber in ihren Ohren klang es wie: »Scheren Sie sich zur Hölle.«
    Sie lag quer über drei Stühlen im Gerichtssaal, Olga fächelte ihr Luft zu.
    »Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben!« fauchte sie Mattuschek an, der ebenfalls im Begriff war, zu gehen.
    Der hob nur vielsagend seinen bandagierten Arm.
    »Wir wollen doch sachlich bleiben, Frau Kollegin«, säuselte der gegnerische Anwalt und packte seine Papiere in eine häßliche Tasche aus gelbbraunem Leder.
    »Bis zum nächsten Mal«, verabschiedete er sich.
    Kate richtete sich auf.
    »Muß ich eigentlich jedesmal dabeisein?« fragte sie stöhnend.
    Olga sah sie überrascht an. »Nein, im Grunde nicht. Du müßtest mir allerdings gewisse Entscheidungen überlassen.«
    »Alles«, sagte Kate, »ich überlasse dir alles. Ich will nur nicht mit diesem Ekel in einem Raum sitzen.«
    Olga lachte. »Kann ich dir gut nachfühlen. Und wenn du sowieso jedesmal umfällst, wenn’s ernst wirst, bleibst du vielleicht wirklich besser zu Hause.«
    »Was willst du als nächstes machen?« fragte Kate.
    »Dieses Arschloch von einem Richter wegen Befangenheit drankriegen«, verkündete Olga finster.

ELF
     
    F ranz saß im Apfelbaum und sägte mit einer Motorsäge Ast für Ast ab. Kate sah mit Tränen in den Augen zu. Samuel stand ein wenig abseits, hielt Bobitt an sich gedrückt und warf mißtrauische Blicke auf Franz.
    Der Baum war eingegangen. Über Wochen hatte sich sein Sterben hingezogen; fast täglich hatte Kate einen weiteren morschen Zweig entdeckt. Schließlich hatte sie ein Schreiben von der Gemeinde erhalten, in dem sie aufgefordert wurde, den Baum zu fällen, da er im Fall eines Unwetters umstürzen und Schaden anrichten könne.
    Kate hatte sich gefragt, wie die Gemeinde so schnell Kenntnis von einem abgestorbenen Baum hatte bekommen können. Ein Blick auf die Nachbarterrasse, wo Willi und Gudrun mit zufriedenen Gesichtern saßen und zusahen, erklärte alles.
    Franz hatte nun die Äste entfernt und zersägte stückweise den Stamm. Kate schluckte. Sie hatte das Gefühl, einer Hinrichtung beizuwohnen. Diesen Baum hatte sie besonders geliebt.
    Plötzlich ertönte ein kreischendes Geräusch. Es schmerzte regelrecht in den Ohren. Gleich darauf verstummte der Motor.
    »Mist«, fluchte Franz und warf die Säge ins Gras.
    »Was ist los?« fragte Kate.
    Franz blickte auf das Stück des Stammes, das er gerade abgetrennt hatte.
    »Komm her und schau dir das an«, sagte er aufgeregt.
    Kate lief schnell zu ihm. Samuel ließ Bobitt laufen und kam ebenfalls näher.
    Zu dritt standen sie um den Haufen aus abgesägten Holzstücken, die wie die Knochen eines Urtieres im Gras herumlagen.
    »Hier.« Franz deutete auf einige kleine dunkle Löcher. Kate ließ sich auf die Knie nieder, um besser sehen zu können. Mit dem Finger strich sie vorsichtig über die Stellen. Ihre Augen weiteten sich.
    »Das sind Nägel«, flüsterte sie und sah Franz überrascht an.
    »Genau«, sagte er, »schöne, lange Kupfernägel, die jemand so tief ins Holz getrieben hat, daß man sie von außen kaum mehr sehen konnte. Die haben den Baum kaputtgemacht.«
    Kate hob den Kopf und begegnete Mattuscheks Blick, der, wie ihr schien, voller Schadenfreude war.
    »Dieses Schwein!« murmelte sie und schaute schnell weg.
    Franz, der

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