Der Mann von Nebenan
vage Vorstellungen von Käfigen, Tierknochen, Packungen voller Gift oder Vorräten an Katzenfutter. Nichts von alledem fand sich.
Rita machte ihr ein Zeichen, nach oben zu gehen. Sie bewegte sich geschmeidig und lautlos; Kate konnte sich ohne weiteres vorstellen, wie sie in ihrem früheren Leben fremde Wohnungen und Häuser ausgeräumt hatte.
Sie landeten im Erdgeschoß, nicht weit vom Gästeklo entfernt. Die Anordnung der Räume war wie bei Malise, nur spiegelverkehrt.
»Zuerst in die Küche«, flüsterte Kate.
»Wir müssen aufpassen, daß uns niemand durchs Fenster sieht«, erwiderte Rita leise.
Das Küchenfenster ging aufs Gemeinschaftsgrundstück hinaus; es war nicht sehr wahrscheinlich, daß dort jemand vorbeigehen würde, aber man wußte nie.
Die Küche war ebenso spießig eingerichtet wie das Wohnzimmer, das Kate ja kannte. Viel pflegeleichtes Resopal, häßliche Deko-Fliesen, eine Lampe aus Korbgeflecht, ein Pinnbrett aus Kork. Der Raum war penibel aufgeräumt und geputzt.
»Also, los!« befahl Rita und begann mit geübten Bewegungen, Schränke aufzureißen und Schubladen herauszuziehen.
»Bring nicht alles durcheinander«, sagte Kate besorgt, »sie sollen schließlich nichts merken.«
Sie öffnete die Tür zur Speisekammer und untersuchte systematisch die Regalbretter. Auf den oberen lagerten Speisevorräte, Konserven und ein Vorrat an Mülltüten, Alufolie, Frischhaltefolie und ähnlichen Küchenutensilien. Weiter unten fand Kate Reinigungs- und Putzmittel, Blumendünger und Brennspiritus. Zwischen den Flaschen entdeckte sie eine Packung mit dem Totenkopfsymbol. Gift! Kate nahm die Schachtel in die Hand. Insektenvertilgungsmittel.
»Schau mal, was ich gefunden habe!« sagte sie aufgeregt. Rita warf einen Blick darauf und winkte ab.
»Vergiß es. Das steht in jedem zweiten Haushalt.«
»Könnte man damit eine Katze umbringen?«
»Keine Ahnung. Ich glaube, Rattengift wäre sicherer. Ich fürchte, hier ist nichts. Laß uns ins Wohnzimmer gehen und dann nach oben.«
»Ich weiß nicht …« Kate zögerte. »Ich trau’ mich nicht, so lange hier drin zu bleiben.«
Rita sah sie streng an. »Jetzt oder nie. Denk an das arme Tier!«
Kate schluckte. »Okay.«
In wenigen Minuten durchsuchten sie das Wohnzimmer, ebenfalls ergebnislos.
»Glaubst du nicht, er hätte alle Beweise vernichtet, wenn er es getan hätte?« fragte Kate, die den Sinn des Unternehmens allmählich anzweifelte.
»Katzen verschwinden ständig. Er muß nicht damit rechnen, daß irgend jemand sein Haus durchsucht.«
Sie gingen ins Obergeschoß.
»Wir können uns aufteilen«, schlug Rita vor. »Du gehst in die Zimmer, ich geh’ unters Dach. Wenn was ist, rufst du.«
Kate nickte zustimmend und sah zu, wie Rita die schmale Treppe zum Speicher hochstieg und verschwand.
Sie öffnete kurz die Tür zum Badezimmer. Dort war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Sie schloß die Tür wieder und wanderte weiter. Das Schlafzimmer bestand aus der kaufhausüblichen Garnitur Schrankwand, Doppelbett, Nachttische, Leselampen. In einer Ecke stand ein Paar abgeschabter Lederpantoffeln, die auf Kate genauso unsympathisch wirkten wie ihr Besitzer. Es war, als spiegele sich sein Charakter in den Schuhen; das Pedantische und Rechthaberische ebenso wie das Verklemmte und Schmierige.
Neugierig spähte Kate in die Schränke. Die Wäsche lag penibel gefaltet auf Kante; Kleider, Röcke, Anzüge und Hosen hingen akkurat wie in einem Bundeswehrspind. Ein Haufen Schmutzwäsche in einem Korb verströmte einen säuerlichmuffigen Geruch.
Hinter der nächsten Schranktür verbargen sich Ordner, Papiere und eine Reihe von Alben. Kate wurde neugierig. Sie zog eines der Fotoalben heraus und blätterte. Es waren keine Familienfotos, wie sie vermutet hatte, sondern Bilder von Prominenten. Neben jedem von ihnen stand Mattuschek und grinste triumphierend in die Kamera.
Belustigt studierte Kate die Fotos von Schauspielern, Politikern, Sportlern und Schlagersängern, die sich zum Teil geschmeichelt, zum Teil peinlich berührt neben ihrem Fan postiert hatten.
Er war also einer dieser Kerle, die ihrem mickrigen Selbstbewußtsein auf die Sprünge halfen, indem sie sich im Glanz von vermeintlich Größeren sonnten. Kate erinnerte sich, wie er fast geplatzt war vor Stolz, als der widerliche Sky König auf seiner Terrasse gehockt hatte. Das Hobby paßte zu ihm, fand Kate.
Und wenn er jemanden nicht verehren konnte, quälte er ihn eben. Es waren die zwei Seiten derselben
Weitere Kostenlose Bücher