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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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nicht so schwer«, sagte Herr Petz tröstend. »In ein paar Jahren haben sich die Preise wieder erholt, aber bis dahin vertragen Sie sich längst wieder mit Ihrem Nachbarn, da bin ich sicher.«
     
    Aus der Affäre mit Franz war eine feste Einrichtung in Kates Leben geworden. Sie schätzte seine Qualitäten als Liebhaber und seine sanfte Fürsorge. Frühmorgens fand sie immer eine Tüte mit frischen Brötchen vor der Tür; mal hatten sie die Form von Blumen oder Sternen, meist von Herzen. Einmal hatte Franz den zärtlichen Gruß seinem besten Stück nachempfunden, ein andermal ihren Brüsten und Pobacken.
    Alles wäre in schönster Ordnung gewesen, wenn Kates Gedanken nicht zunehmend von dem zermürbenden Duell mit Mattuschek besetzt worden wären. Bald konnte sie kaum noch an etwas anderes denken, konnte nicht mehr genießen, sich nicht mehr entspannen. Wenn Franz eine Hand nach ihr ausstreckte, erstarrte sie. Wenn er sie umarmte, fühlte sie die Arme des nächtlichen Unbekannten um ihren Körper und glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Je länger sie über den eigenartigen Vorfall nachdachte, desto sicherer war sie, daß es Mattuschek gewesen war. Er war es, der sie zur Gartenliege getragen hatte. Dort mußte er dann von Nellis gestört worden und abgehauen sein. Wieviel Zeit war dazwischen vergangen? Was hatte er mit ihr getan? Hatte er sie angesehen, angefaßt? Die Ungewißheit bohrte in ihr.
    »Was hast du bloß?« fragte Franz eines Abends, als Kate ihn wieder abgewiesen hatte. »Liegt schon wieder der Nachbar mit im Bett?«
    Kate hatte ihm von ihrer Vermutung erzählt, aber Franz hatte nur gelacht.
    »Kate, du spinnst! Ich kenne den Willi aus dem Handballtraining und vom Radfahren. Der ist vielleicht ein bißchen penibel und spießig, aber ein Vergewaltiger ist der nicht!«
    Am liebsten hätte Kate geschrien. »Aber ein Dieb, ein Spanner und ein Katzenmörder, das ist er!«
    Mühsam beherrschte sie sich. Sie hatte ihm nichts von ihren Funden erzählt. Sie wußte nicht, ob sie ihm wirklich vertrauen konnte.
    »Wenn du nur halb soviel an mich denken würdest wie an ihn, wäre ich ein glücklicher Mann«, sagte Franz bitter.
    »Ich kann doch nichts dafür, wenn mich der Kerl so quält«, antwortete Kate heftig.
    »Nicht er quält dich, du quälst dich selbst«, erwiderte Franz. »Du willst einfach glauben, daß es Mattuschek war. Daß er den Apfelbaum kaputtgemacht hat …«
    »… und Bobitt getötet hat«, unterbrach ihn Kate.
    »Ich weiß einfach, daß er es war.«
    »Mit der gleichen Einstellung haben sie früher Hexen verbrannt«, sagte Franz lakonisch. »Dich hätten sie übrigens auch verbrannt, mit deinen roten Haaren. Und Malise sowieso.«
    »Und das findest du wohl auch noch in Ordnung«, giftete Kate.
    »Ach, vergiß es.«
    Resigniert drehte Franz sich weg und stellte sich schlafend.
    Kate war zum Heulen zumute, aber sie brachte es nicht über sich, eine versöhnliche Geste zu machen.
     
    Es dauerte eine Weile, bis Kate sich von dem Schock, den ihr Herr Petz verpaßt hatte, erholte. Erst nach ein paar Tagen konnte sie den Tatsachen ins Auge blicken: Das Haus war derzeit unverkäuflich, und daran würde sich auch in naher Zukunft nichts ändern. Sie hatte kurz daran gedacht, es zu vermieten und mit Samuel in eine Wohnung zu ziehen, aber auch die Mieten waren im Keller. Mit dem, was sie für das Haus kriegen würde, könnte sie die Zinsen nicht bezahlen. Wie sie die Sache drehte und wendete, es gab keinen Ausweg. Sie war gefangen wie die Fliege im Spinnennetz, und es blieb ihr nur eins: Sie mußte zusehen, daß sie nicht von der Spinne gefressen wurde.
    Plötzlich überfiel sie das heftige Bedürfnis, abzuhauen. Sie wollte für eine Weile weg, ganz alleine, irgendwohin.
    Malise erklärte sich bereit, Samuel für ein paar Tage zu betreuen. In aller Eile packte Kate ihre Sachen zusammen, tankte ihren klapprigen Ford auf und fuhr einfach los, ins Blaue hinein.
    Mit jedem Kilometer, den sie sich von zu Hause entfernte, fühlte sie sich besser.
    Wie von einem inneren Kompaß geleitet, fuhr Kate Richtung Südwesten. Bald wußte sie, wo ihr Ziel war: ein kleines Bergdorf in den Pyrenäen, nicht weit von St. Girons.
    Sie hatte kurz daran gedacht, unterwegs bei ihren Eltern vorbeizuschauen, die in der Nähe des Bodensees lebten. Aber je näher sie ihrem Heimatort kam, desto mehr sträubte sich alles in ihr gegen ein Wiedersehen.
    Sie hatten zwar nie darüber gesprochen, aber Kate wußte genau, daß ihre Eltern

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