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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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möglicherweise tot war. Wütend auf mich, weil ich sie im Stich gelassen hatte, wütend auf Nelson, weil er die Polizei nicht daran gehindert hatte, den Entführern auf den Leib zu rücken, wütend auf Luís , weil er sich nicht besser unter Kontrolle gehabt hatte. Doch am schlimmsten war etwas, das ich mir selbst kaum eingestehen mochte: Ich war wütend auf Is a bel. Sie hatte doch gewußt, daß sie gefährdet war. Warum wa r s ie nicht vorsichtiger gewesen? Warum hatte sie sich ausgerechnet jetzt umbringen lassen müssen, wo mir klar wurde, was sie mir bedeutete?
    Eigentlich wußte ich gar nicht, was sie mir bedeutete. Ich war viel zu durcheinander, um das beurteilen zu können. Unsere Beziehung hatte ja gerade erst begonnen. Wie hätte sie sich entwickelt? Wäre überhaupt etwas aus ihr geworden? Ich ertappte mich dabei, wie ich mir in meiner Phantasie ein gemeinsames Leben mit ihr ausmalte. Hätten wir in meiner kleinen Wohnung in Primrose Hill gelebt? Es fiel mir schwer, sie mir dort vorzustellen.
    Diese Gedanken waren absurd. Vielleicht hätte es überhaupt nicht geklappt mit uns. Und nun hatten Zico und seine Freunde aller Wahrscheinlichkeit nach dafür gesorgt, daß ich es wohl nie erfahren würde.
    Ich konnte mich nicht damit abfinden.
    War sie wirklich tot? Nelson war davon überzeugt. Luís nicht. Von Zico hatten wir nichts mehr gehört.
    Die Logik sprach für Nelsons Annahme, und er hatte Erfahrungen mit solchen Situationen. Doch bevor wir nicht einen Beweis für ihren Tod hatten, konnte ich einfach nicht daran glauben. Mir ging es wie Luís . Ich mußte hoffen und beten, daß sie noch lebte, ob es nun vernünftig war oder nicht.
    Auf dem Kamm des Hügels angekommen, hielt ich inne und setzte mich. Unter mir schmiegte sich die Fazenda in das Tal.
    Zwei schreckliche Tage lagen hinter uns. Luís war nur noch ein Schatten seiner selbst. Cordelia war ins Krankenhaus gegangen. Die Ärzte befürchteten, daß sich die ganze Aufregung nachteilig auf ihre Schwangerschaft auswirken könnte. Nelson Zarur hatte angeboten, auf sein Honorar zu verzichten, aber schließlich hatte Luís es doch gezahlt.
    Ich hatte Ricardo angerufen und ihm mitgeteilt, daß es den Anschein habe, als sei Isabel umgebracht worden. E r h atte versucht, unbeteiligt zu wirken, aber seine Stimme hatte tot und leer geklungen. Ich würde bald nach London zurückkehren, hatte ich ihm gesagt. Er hatte das Gespräch rasch beendet. Isabel hatte recht gehabt: Sie hatte ihm e t was bedeutet.
    » Sie lebt noch, ganz bestimmt.«
    Es war Abend. Durch die Terrassentür hinter uns hätte man sehen können, wie die letzte Glut der Sonne hinter dem Berg am Ende des Tals verschwand. Vor uns knisterte ein Kaminfeuer. Eine halbe Stunde hatten wir schweigend in die Flammen gestarrt, nur hin und wieder einen Schluck Ballantine ’ s aus unseren Gläsern genommen.
    Ich nickte. »Ich weiß.«
    »Wir müssen daran glauben, ganz egal, was Nelson oder Zico oder wer auch immer sagt.«
    Schweigen.
    »Wie war sie so? Bei der Arbeit?«
    »Ruhig. Ernsthaft. Sehr tüchtig. Sie brachte etwas zustande. Ich glaube, man hat viel von ihr gehalten.«
    Luís schüttelte den Kopf. »Es hat mich damals überrascht, daß sie bei einer Bank angefangen hat. Irgendwie auch enttäuscht. Sie war immer so voller Idealismus gew e sen. Natürlich war ich anderer Meinung, und wir haben uns gestritten, aber ich habe ihre Ideale respektiert. Dann ist sie in die Vereinigten Staaten gegangen, und als sie z u rückkam, wollte sie unbedingt beweisen, daß sie mehr vom Bankgeschäft versteht als ich. Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Aber sie stand ganz offensichtlich u n ter großem Erfolgszwang. Sie wollte etwas beweisen, und wenn ich mich nicht täusche, dann wollte sie es Ihnen b e weisen.«
    »Das brauchte sie doch nicht!« sagte Luís . »Für mich reichte es völlig aus, daß sie meine Tochter war. Ich habe nicht von ihr erwartet, daß sie eine große Finanzexpertin wird.«
    Einen Augenblick dachte ich über seine Worte nach . » Vielleicht war gerade das ihr Ansporn, die Tatsache, daß Sie nichts von ihr erwartet haben. Ich weiß es nicht. Aber machen Sie sich keine Vorwürfe. Sie haben eine wunderbare Tochter großgezogen. Darauf können Sie stolz sein.«
    Luís starrte schweigend ins Feuer.
    »Sie hat ihre Ideale nicht verloren«, sagte ich. »Dieser Favela -Deal war eine glänzende Idee. Und sie hat daran geglaubt. Für sie war er die einmalige Gelegenheit, ihre F ä higkeiten endlich für

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