Der Marktmacher
seinen Augen auf.
Ich schüttelte den Kopf. Ich würde den gleichen Fehler nicht zum zweitenmal begehen.
»In Ordnung. Räumen Sie Ihren Schreibtisch auf und verschwinden Sie bis heute abend. Mit Eduardo können Sie über Ihre Papiere und das Darlehen sprechen.«
Damit stand er auf, drehte mir den Rücken zu und ging davon.
Ich stützte den Kopf in die Hände und seufzte. Ich kam mir beschissen vor – wie ein Verräter oder Feigling. Wie machte er das nur? Wie schaffte er es, solche Gefühle in e i nem zu wecken?
Noch vor ein paar Minuten hatte er sich ausgesprochen mitfühlend verhalten. Und dann … Es war wahrscheinlich diese Besessenheit. Alles, was gegen sein geliebtes Dekker Ward gerichtet war, nahm er persönlich, auch wenn es nur die Kündigung eines Mitarbeiters war, der erst ein paar Wochen bei der Firma arbeitete.
Seine Worte kamen mir wieder in den Sinn: »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.« Keine Kompromisse.
Ich wußte, daß ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. In Brasilien waren alle Bedenken und Zweifel in den Hintergrund getreten: die Geldwäsche, der Vertrauensbruch gegenüber Wojtek und Daves Schicksal. Aber sie würden sich wieder bemerkbar machen. Ich hatte meine Kündigung mit Isabel erörtert, und sie hatte sie gebilligt. Abgesehen davon, tat ich angesichts der Pressegeschichte, die Luís lanciert hatte, gut daran, meine Zelte bei Dekker Ward möglichs t s chnell abzubrechen. Die ganz Dekker-Ward-Geschichte war ein Riesenfehler gewesen. Je rascher ich sie beendete, desto besser.
Langsam und sorgfältig begann ich, meine Habseligkeiten zusammenzusuchen.
Plötzlich spürte ich jemanden neben mir. Es war Eduardo. Er sah fuchsteufelswild aus.
»Ricardo sagt, Sie haben gekündigt.«
»Richtig«, sagte ich.
»Nun, dann sollten Sie zusehen, daß Sie jetzt verschwinden.«
»Aber Ricardo hat gesagt, daß ich bis heute abend Zeit habe«, protestierte ich.
»Und ich sage, daß Sie auf der Stelle verschwinden sollen«, erwiderte Eduardo kalt. »Die Leute vom Sicherheit s dienst sind in zwei Minuten hier.«
Ich zuckte mit den Achseln. Im Grunde genommen war es mir recht. Meine Sachen hatte ich in einen Karton g e packt. Sehr viele waren es ja ohnehin nicht.
Eduardos dunkle Augen durchbohrten mich. »Wenn Sie gehen, erwarte ich, daß Sie Dekker Ward und alles, was Sie hier gesehen und gehört haben, vergessen. Ich aber werde Sie nicht vergessen. Ich werde Sie im Auge behalten. Und wenn ich feststelle, daß Sie irgend etwas versuchen, irgen d eine winzige kleine Schweinerei, um Dekker Ward am Zeug zu flicken, dann werde ich Sie zu finden wissen.« Se i ne Stimme war leise, kaum mehr als ein Flüstern. Ich b e kam eine Gänsehaut, so greifbar war die Gefahr, die von diesem Mann ausging. »Haben Sie verstanden?«
Meine Kehle war trocken. Ich wußte, daß Eduardo keine leeren Worte machte. Aber ich ließ mir nichts anmerken.
»Was ich in Zukunft mit meinem Leben anfange, ist ganz allein meine Sache«, sagte ich.
»Oh, nein«, sagte Eduardo und beugte sich vor. »Das ist auch meine Sache.«
Ich nahm mein Jackett von der Rückenlehne des Stuhls und zog es an. Die Sorgen, die sich Eduardo um mich machte, waren durchaus berechtigt. Das würde er merken, wenn er die Artikel in den Zeitungen von Rio lesen würde.
Zwei Sicherheitsleute traten an meinen Schreibtisch. Sie durchsuchten mich, stülpten die Taschen meines Anzugs nach außen und tasteten mich an Brust, Armen und Beinen ab. Eduardo schien enttäuscht darüber zu sein, daß sie nichts fanden.
Im Börsensaal war es still geworden, weil alle den Vorgang verblüfft verfolgten. Jamie blickte mich fassungslos an und formte lautlos die Worte: »Was zum Teufel ist denn hier los?« Er wußte noch nicht, daß ich gekündigt hatte. Meine Augen suchten Ricardo. Ausdruckslos begegnete er meinem Blick. Ich fühlte die vielen Augen in meinem Rü c ken. Aber wenn es ihnen so rasch gelungen war, dachte ich, Dave zur Unperson zu machen, dann würden sie mit mir erst recht keine Schwierigkeiten haben. Die Sicherheitsle u te führten mich durch das eisige Schweigen aus dem Bö r sensaal zu den Fahrstühlen.
Ich sauste die vierzig Stockwerke hinab, der wirklichen Welt entgegen.
ZWEIUNDZWANZIG
G ehobener Stimmung radelte ich in schnellem Tempo zurück nach Primrose Hill, den Canary Wharf Tower immer weiter hinter mir lassend. In Zukunft brauchte ich mir keine Sorgen mehr um Ricardo und Eduardo zu machen. Mord und Geldwäsche konnte
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