Der Marktmacher
gesagt, Isabel würde unwiderruflich sterben, wenn ich nicht bis morgen abend gezahlt hätte. Ich glaube ihm. Er will in zwei Stunden zurückrufen.«
Ich blickte Nelson an, der ein nachdenkliches Gesicht machte. »Er geht mit seinen Forderungen zu rasch runter«, sagte er. »Ich habe noch nie erlebt, daß jemand so schnell nachgegeben hat. Und er scheint es ausgesprochen eilig zu haben, die Sache durchzuziehen.«
»Er glaubt, die Polizei ist ihm auf den Fersen«, murmelte Luís .
Nelson schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß ihn das sonderlich stören würde. Entführer müssen stets damit rechnen, daß die Polizei hinter ihnen her ist.«
Wir sahen ihn an. Sein Gesicht verdüsterte sich.
»Was ist los?« fragte ich.
Er seufzte. »Ich glaube, wir sollten noch einmal ein Lebenszeichen verlangen.«
Luís explodierte. »Sie haben doch gehört, was er gesagt hat. Darauf läßt er sich nicht mehr ein. Wir haben keine Zeit mehr für dererlei Späße.«
Ich schwieg. Mir war hundeelend zumute. Ich wußte, was Nelson vermutete.
Luís bemerkte meinen Gesichtsausdruck. »Was ist los?«
Ich sagte nichts. Ich brachte kein Wort heraus.
»Was zum Teufel ist los?« fragte Luís wieder.
»Nelson glaubt, daß sie möglicherweise tot ist«, sagte ich ruhig. »Deshalb haben die Entführer es plötzlich so eilig, ihr Geld zu bekommen.«
»Nein!« rief Luís . »Es gibt nicht den geringsten Grund zu dieser Annahme. Das glaube ich nicht!«
Nelson hob die Hand. »Vielleicht haben Sie recht. Ich hoffe es sehr. Aber wir müssen uns vergewissern.«
»Und dann möchten Sie natürlich, daß ich mein Angebot wieder nur um einen winzigen Betrag erhöhe?«
Nelson nickte.
»Kommt nicht in Frage! Ich werde die fünf Millionen akzeptieren, und morgen abend ist Isabel wieder da!«
Nelson, der Luís nachdenklich betrachtete, zuckte mit den Achseln. »Ich kann nur meinen Rat anbieten, mehr nicht.«
»Genau.«
» Luís ?« sagte ich vorsichtig.
Unwillig sah er mich an.
»Ich weiß, daß Sie fünf Millionen Dollar zahlen können und möchten. Das ist gut so. Auch ich möchte Isabel so bald wie möglich wiedersehen. Aber Nelson hat recht, wir sollten uns vergewissern, ob sie noch am Leben ist. Warum warten Sie also mit den fünf Millionen nicht, bis Sie ein Lebensze i chen bekommen? Wenn die Entführer Isabel haben und wenn sie wissen, daß sie die fünf Millionen kriegen, warum sollen sie uns dann nicht ein solches Zeichen g e ben?«
Hilfesuchend sah ich Nelson an. Er nickte.
»Na gut«, sagte Luís . »Aber die Frage müssen Sie sich einfallen lassen.«
D ie Frage lautete: »Aus welcher Stadt kommt Dave?« Luís bekam keine Gelegenheit, sie zu stellen.
Als er ein Lebenszeichen verlangte, weigerte sich Zico. Luís bestand darauf, aber ohne Erfolg. Schließlich endete das Telefongespräch damit, daß Zico schwor, er würde Is a bel umbringen.
Luís legte auf. Sein Gesicht war starr und kalt.
»Sie wissen, was das bedeutet«, sagte Nelson ruhig . » Möglicherweise ist sie schon tot.«
Groß und hager stand Luís vor mir. Die Ereignisse der let z ten Tage, vor allem der letzten Minuten, hatten ihn, bil d lich gesprochen, über Nacht altern lassen.
»Ich gehe in ihr Zimmer«, sagte er.
I ch stapfte den Pfad hinauf. Zu beiden Seiten bildeten die Bäume und das Unterholz des atlantischen Regenwalds eine dunkle, grüne Wand. Doch ich hatte kaum einen Blick für das üppig wuchernde Leben um mich her: Mein Blick war auf den Boden geheftet, meine Gedanken galten Isabel.
Meine Gefühle waren ein Sammelsurium aus Widersprüchen. Ich kannte sie kaum und hatte doch das Em p finden, sie besser zu kennen als irgendein anderer Mensch. Wieder und wieder wurden die Gespräche, die wir miteinander geführt hatten, in meinem Gehirn abgespult, beso n ders die Diskussionen über Gott und die Welt, die bis spät in die Nacht gegangen waren. Ich sah Bruchstücke ihres Bildes vor mir – mal ihre großen Augen, mal ihr scheues Lächeln hinter einer Strähne schwarzen Haares. Und ich erinnerte mich, wie ich sie zum erstenmal gesehen hatte, an einen Schreibtisch bei Dekker Ward gelehnt, sehr anziehend und ungeheuer sexy.
Aus dem Wald kam ich auf die weiter oben gelegenen Weideflächen der Schafe. Hinter mir öffnete sich, wie ich wußte, der wunderbare Ausblick auf die Fazenda und die Vororte von Petrópolis. Aber ich drehte mich nicht um. Mein Kopf blieb gesenkt, die Augen auf den Boden gerichtet.
Ich war wütend, wütend, daß Isabel nun
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