Der Marktmacher
überraschten Blick zu.
»Die beiden sind genau wie Sie, nicht wahr?« fuhr ich fort . » Sie wollen ihren eigenen Weg gehen. Auf eigenen Füßen stehen. Daß Sie dagegen sind, ist nur ein zusätzlicher Ansporn für sie. Für Isabel gilt das mit Sicherheit.«
Luís ließ ein kurzes, trockenes Lachen hören. »Ich nehme an, Sie haben recht.«
»Das ist einer der Gründe, warum ich sie mag.«
Er schwieg. Prüfend betrachtete er mich. »Sie stehen sich ziemlich nahe, habe ich recht? Näher als Kollegen oder Freunde?«
Einen Augenblick ergriff mich Panik. Ich sah mich den flammenden Vorwürfen eines zornigen lateinamerikanischen Vaters ausgesetzt, der mich beschuldigte, seine Toc h ter entjungfert zu haben. Aber Luís ’ Blick war freundlich, ja billigend.
Ich nickte.
Luís wandte sich um und setzte seinen Weg hügelaufwärts fort. »Be m « , murmelte er, glaube ich. Genau konnte ich es nicht verstehen.
W ir beschlossen, auf der Fazenda zu bleiben. Für Nelson war das ziemlich unbequem, denn er mußte täglich eine Autofahrt knapp von anderthalb Stunden auf sich nehmen, aber es war gut für Luís und gut für mich. Wir waren optimistisch. Solange wir mit der Warterei zurechtkamen, standen Isabels Chancen gut.
Am Sonntag abend flogen Cordelia und Fernando mit dem Hubschrauber in die Stadt zurück. Zico rief noch einmal an. Diesmal lauschte ich dem Gespräch. Ich schnappte die Worte dreißig Millionen auf und daß Luís wenig später mit zwei Millionen konterte. Noch immer waren wir weit von unserem Ziel entfernt, aber wir rückten ihm langsam, aber sicher näher. Wenn es in diesem Tempo weiterging, würde Isabel in einigen Wochen frei sein. Ich überlegte, ob ich nach London zurückkehren sollte. Die Dinge schienen ihren erwarteten Gang zu gehen, und es gab kaum noch etwas, was ich tun konnte. Ewig konnte ich schließlich nicht bleiben.
Wir begannen uns an das langsame Verhandlungstempo zu gewöhnen. Doch am Dienstag, dem achten Tag der Entführung, sollte sich alles jäh ändern.
ZWANZIG
W ir saßen gerade beim Frühstück, als Nelson kam. Er schien aufgeregt zu sein.
»Ich habe Neuigkeiten.«
Luís blickte von dem winzigen Brötchen auf seinem Te l ler auf. Er aß noch immer sehr wenig. »Von Isabel?«
»Ja, die Polizei hat einen Hinweis bekommen, den sie ernst nimmt. Kennen Sie die Disque Den ú ncia?«
Luís nickte.
An mich gewandt, fügte Nelson erläuternd hinzu: »Eine Hotline, über die die Bevölkerung die Polizei anonym über strafbare Handlungen informieren kann. Offenbar hat man vor ungefähr einer Woche beobachtet, daß mitten in der Nacht eine Frau mit Augenbinde aus einem Auto in eine kle i ne Hütte geführt wurde. Die Hütte liegt in Iraj á im Norden der Stadt. Heute morgen will die Polizei das übe r prüfen.«
»Sie wird doch hoffentlich vorsichtig sein und keinen Versuch unternehmen, die Hütte zu stürmen?«
»DaSilva hat es mir versprochen. Sollten Zico und seine Freunde tatsächlich aufgespürt werden, wird man sie ledi g lich beobachten und sie erst verhaften, nachdem Isabel freigelassen worden ist.«
»Sind Sie sicher?« Luís bedachte Nelson mit einem mißtrauischen Blick.
»Ich kenne DaSilva seit fünfzehn Jahren. Er hat mir sein Wort gegeben.«
Luís sah besorgt aus, und ich teilte sein Unbehagen. Ne l son war Ex-Polizist. Da mußte er schließlich sagen, daß er der Polizei vertraute. Auf der anderen Seite würden ihn seine ehemaligen Kollegen sicherlich nicht so leicht bel ü gen. Wir mußten abwarten. Auf jeden Fall hielt ich eine spektakuläre Polizeiaktion für das denkbar schlechteste Mittel, um Isabel freizubekommen. Je länger ich darüber nachdachte, desto größer wurde meine Besorgnis.
Nelson sah, daß Luís keineswegs beruhigt war.
»Die Hütte wird von nun an überwacht werden«, sagte er . » DaSilva hat gesagt, er würde uns noch heute morgen anrufen.«
Der Kriminalbeamte hielt Wort. Beim Eintreffen der Polizei war die Hütte leer gewesen. Sie hatte einen Keller, in dem man eine Vielzahl von Hinweisen gefunden hatte, aus denen hervorging, daß dort ein Entführungsopfer versteckt worden war. Die Spuren ließen darauf schließen, daß man in der Mitte des Raumes ein Zelt errichtet hatte, was offe n bar oft geschah, um die Entführer vor den Blicken ihrer Opfer zu schützen. Man hatte Lebensmittelpackungen, leere Plastikflaschen und einige ziemlich frische Brotreste gefunden. Keine Blutspuren.
Dort war jemand gefangengehalten und erst vor kurzem an
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