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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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ich vergessen. Ich war en d lich wieder frei.
    Als ich zu Hause ankam, war es ein Uhr, und ich hatte Hunger. Der Kühlschrank enthielt nichts, woraus man ein Mittagessen hätte zaubern können. Eine Tüte Milch, das war alles. Also begnügte ich mich mit einer Schüssel Cornflakes. Außerdem waren zwei Dosen Bier vorhanden. Normalerweise trinke ich tagsüber keinen Alkohol. Diesmal gönnte ich mir eine Dose. Allerdings mußte ich fes t stellen, daß Cornflakes und Bier sich nicht sonderlich mi t einander vertrugen.
    Ich war froh, daß ich Dekker Ward hinter mir hatte, kam mir aber ziemlich töricht vor, daß ich dort überhaupt angefangen hatte. Der Fehler würde nur schwer wieder auszubügeln sein. Ich würde bei Russel Church und seiner School of Russian Studies zu Kreuze kriechen und eing e stehen müssen, daß ich unrecht gehabt hatte. Und dann konnte ich nur hoffen, daß es noch irgendwo eine Stelle für mich gab. Mir grauste, als ich an Bewerbungen, Einstellungsgespräche und die langen Erklärungen dachte, in denen ich darlegen mußte, warum mir die nötigen Qualifikationen noch fehlten. Wenn man mir überhaupt Gelegenheit zu solchen Erklärungen geben würde! Mein Vater würde mich in jedem Fall für verrückt erklären.
    Und dann das Geld. Einmal hatte ich von Dekker Ward Gehalt bekommen. Das hatte fürs erste geholfen. Aber auf meiner Wohnung lag nach wie vor die Hypothek. Und der verfluchte Mr. K. R. Norris würde mir wieder im Nacken sitzen. Außerdem schuldete ich Ricardo fünf Riesen, von denen ich allerdings noch drei auf der Bank hatte. Die würden mich die nächsten Monate über Wasser halten. Eines Tages würde ich sie ihm zurückzahlen. Mögliche r weise.
    Irgendwo über mir ertönten schwere Hammerschläge und der gedämpfte Klang von herunterfallendem Putz. Richtig, die alte Dame von oben hatte mir mitgeteilt, daß sie einige Renovierungsarbeiten durchführen lassen wollte. Tagsüber war ich nie zu Hause gewesen, daher hatte ich nichts davon bemerkt.
    Ich aß die Cornflakes auf und schlenderte in das kleine Schlafzimmer, wo ich über die Tasche mit meinen Rugbysachen stolperte, die ich nach dem letzten Spiel der Saison vergessen hatte zu waschen. Die Euphorie über die neug e wonnene Freiheit verflüchtigte sich zunehmend, als sich die Wirklichkeit eines Lebens ohne festes Gehalt immer deutlicher abzeichnete. Das Bett lockte, und ich gab der Versuchung nach. Das Gesicht nach unten und die Augen offen, so lag ich da, während meine Gedanken kreisten.
    Isabel fehlte mir. Die Rastlosigkeit, mit der mein Hirn versucht hatte, mit der Entführung fertigzuwerden, und meine hektische Suche nach Ursachen und Schuldigen war einer lähmenden Verzweiflung gewichen. Die Ungewißheit war nur schwer zu ertragen. Immer wieder sagte ich mir, daß sie noch am Leben sei. Doch in den düsteren Augenblicken, wie jetzt, war ich davon überzeugt, daß sie tot war, daß ich sie nie wiedersehen würde. Immer wieder quälten mich die gleichen Fragen. Wenn sie tot war, warum hatte man dann ihren Leichnam nicht gefunden? Wenn sie am Leben war, warum hatte Zico dann nicht zurückgerufen und das gewünschte Lebenszeichen übermittelt? Waru m s ollte er sie umbringen, wenn er im Begriff stand, ein Ve r mögen an ihr zu verdienen? Warum sollte er sie andererseits am Leben lassen, wenn er den Eindruck hatte, daß ihm die Polizei auf den Fersen war? Ich muß Gewißheit haben, so oder so. Und doch … Noch blieb mir ja die Hoffnung.
    Das Telefon klingelte. Es war Jamie. Im Hintergrund hörte ich deutlich die Geräusche und das Stimmengewirr des Dekker-Ward-Börsensaals.
    »Was zum Teufel hast du getan?«
    »Gekündigt.«
    »Ich weiß, daß du gekündigt hast. Aber warum? Ricardo ist stinksauer. Er hat viel von dir gehalten. Und warum hast du mir nichts gesagt?«
    Eigentlich hatte ich Jamie informieren wollen, es dann aber doch gelassen. Ich hatte mich einfach überfordert gefühlt bei dem Gedanken, es erst ihm und dann noch einmal Ricardo erklären zu müssen. Seit meiner Rückkehr aus Brasilien hatte ich ihn überhaupt noch nicht gesehen.
    »Tut mir leid, Jamie, aber weißt du, ich habe Probleme mit Dekker Ward, seit ich dort angefangen habe. Das ist nichts für mich.«
    »Bist du in Ordnung? Es heißt, die Entführung von Isabel hätte dich völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Bist du sicher, daß du weißt, was du tust?«
    »Ganz sicher. Natürlich mache ich mir Sorgen um sie, aber die Kündigung stand schon fest, bevor ich

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