Der Marktmacher
Ich hatte keine Gelegenheit gehabt, ihn näher kennenzulernen, aber soweit ich das beurteilen konnte, war er ein sympathischer Zeitgenosse gewesen. Und nun fühlte ich mich als sein Bruder im Geiste: ein Mit-Ex-Dekker-Ward -B ruder.
Ich holte die Telefonliste hervor, die ich mit meinem Eintritt bei Dekker Ward erhalten hatte. Sie enthielt alle Privatnummern, auch die von Dave. Von Dekker-Ward -M itarbeitern wurde erwartet, daß sie der Firma nötigenfalls rund um die Uhr zur Verfügung standen.
Er war am Telefon. »Nick! Wie geht ’ s, alter Junge! Eine Stimme aus der Vergangenheit. Ich glaube, ich habe seither mit keinem von euch mehr gesprochen.«
Ich schilderte ihm meine Situation und fragte, ob ich vorbeikommen könne.
»Klar. Wie wär ’ s heute nachmittag? Hab ’ sowieso nichts zu tun. Haben Sie einen fahrbaren Untersatz?«
»Nur mit zwei Rädern.«
»Motorrad oder Fahrrad?«
»Leider nur Fahrrad.«
»Macht nichts. Fahren Sie mit der U-Bahn bis Theydon Bois und rufen Sie mich von der Station aus an. Ich hole Sie ab.«
D ave holte mich in einem alten Ford Escort ab. Wir fuhren durch eine Reihe gepflegter Vorstadtstraßen zu einem großen, modernen Haus am Ende einer kleinen Straße. Links und rechts neben der Einfahrt standen zwei Schilder: »Zu verkaufen«. Mit der Fernbedienung öffnete er die Türen e i ner riesigen, leeren Garage, in deren Mitte er den Escort parkte.
»Viel Platz für ein kleines Auto«, meinte ich.
»War nicht immer so«, sagte Dave. »Da hatte ich meinen Porsche 911 stehen, dort einen Geländewagen, und hier stand der Stadtwagen meiner Frau. Alles futsch.«
Durch eine Tür in der Garage gelangten wir ins Haus . » Kennen Sie meine Frau Teresa?«
Sie war rundlich wie Dave, mit blond gefärbtem Haar und einem freundlichen Lächeln. »Hi«, sagte sie. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
»Das wäre wunderbar.«
Durch ein paar Kilometer Flur führte Dave mich in einen riesigen Salon mit großen Fenstern, aus denen der Blick auf eine weitläufige Rasenfläche und einen Swimmingpool fiel. Dave war ungefähr in meinem Alter, und dieses Anwesen hatte eine hübsche Stange Geld gekostet.
»Nicht ohne, was?« sagte er, meinem Blick folgend. »Nur schade, daß es nicht mir gehört.«
»Oh, Sie meinen, es gehört der Wohnungsbaugesellschaft?«
»Schlimmer, es gehört Dekker Ward. Wenn ich nächsten Monat nicht die Hypothekenrate aufbringen kann, was vö l lig ausgeschlossen ist, fällt es wieder an die Firma zurück. Nun versuche ich verzweifelt, es vorher zu verkaufen.«
»Haben Sie denn keine Ersparnisse?«
»Die sind alle in den Mitarbeiter-Trusts angelegt. We r f ristlos gekündigt wird, kommt nicht mehr an das Geld. Man kann also sagen, daß ich bis zur Oberkante Unterlippe in der Scheiße stecke.«
»Haben Sie versucht, eine andere Stellung zu bekommen?«
»Keine Chance. Ich weiß nicht, wie Ricardo es angestellt hat, aber man könnte glauben, ich sei Nick Leeson, so wie man mich behandelt.«
»Und was machen Sie jetzt?«
Teresa erschien mit zwei großen Bechern Tee. »Danke, Süße«, sagte Dave. Er nahm einen Schluck, bevor er auf meine Frage antwortete. »Das Haus verkaufen. Und dann sind da noch ein paar alte Freunde von früher, die mir helfen, einen Pub zu erstehen. Den betreiben Teresa und ich dann gemeinsam. Ehrlich gesagt, ich freue mich darauf. Ich habe die Nase gestrichen voll von der City.«
»Ich auch«, sagte Teresa.
»Das kann ich gut verstehen«, sagte ich.
»Hat man Ihnen auch den Stuhl vor die Tür gesetzt? « f ragte Dave.
»Ich habe gekündigt.«
»Warum?«
Ich erzählte ihm von meinen Vorbehalten gegenüber Dekker Ward und von Isabels Entführung. Er war entsetzt.
»So ein hübsches Ding. Und clever dazu. Und man weiß nicht, ob sie noch lebt?«
»Nein.«
»Auch nicht, wer die Entführer sind?«
»Auch das nicht. Kidnapping scheint ein florierender Wirtschaftszweig in Brasilien zu sein. Entführungen sind dort an der Tagesordnung.«
»So wie das Umlegen von Bankern, die man um ihre Brieftaschen erleichtern will?«
Ich blickte ihn fragend an. »Sie haben der IFR gesagt, daß Sie an dieser Version zweifeln. Warum?«
»Es war nur ein Verdacht. Aber ein ziemlich begründeter. Da gibt es diese vielen Nummernkonten bei Dekker Trust, die vermutlich von Eduardo kontrolliert werden. Ricardo sagt, er weiß, woher das ganze Geld kommt, aber ich glaube das nicht so ganz. Und Eduardo kennen Sie ja. Der läßt bestimmt fünfe gerade sein.«
»Nun gut,
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