Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
nach Brasilien geflogen bin.«
    »Na ja, jedenfalls ziehen wir hier jetzt alle eifrig die Dave -N ummer mit dir ab. Allerdings ist es in deinem Fall ein wenig leichter.«
    »Das überrascht mich nicht.« Ein bißchen tat es doch weh. Ich mochte die Leute dort. Daß ich nun aus ihrem Gedächtnis gestrichen wurde, gefiel mir nicht.
    »Du mußt dich ja beschissen fühlen, Mann. Soll ich au f e in Bier vorbeischauen? Heute abend geht es nicht, aber morgen?«
    »Das wäre schön, Jamie.«
    Ich hatte nie daran gezweifelt, daß Jamies Freundschaft meine Kündigung überleben würde. Er hatte sich bei R i cardo meinetwegen weit aus dem Fenster gelehnt, und nun stand er als Trottel da. Eine Rolle, die Jamie so ganz und gar nicht behagte. Aber ich wußte, daß er zu mir halten würde. Ich freute mich auf seinen Besuch.
    Als ich die zweite Dose Bier geleert hatte, ging ich los und organisierte mir Nachschub. Ich legte eine von Joannas alten CDs auf. Wahrscheinlich, weil ich hoffte, sie würde mich an sie erinnern und Isabels Bild ein bißchen in den Hintergrund drängen. Es klappte nicht. Ich bestellte eine Pizza und aß sie. Dann rief ich Luís an und erzählte ihm, daß ich gekündigt hatte. Keine Neuigkeiten von Is a bel. Irgendwann war der Tag endlich vorbei, und ich ging schlafen.
    V or dem Einschlafen galt mein letzter und beim Aufwachen mein erster Gedanke Isabel. Aber ich wachte auch mit dem Entschluß auf, mich zusammenzureißen. Ich räumte die Reste des Vortages fort, besorgte im Supermarkt etwas Vernünftiges zum Essen und machte mir ein richtiges Frühstück: Bacon, Würstchen, Spiegeleier, Toast, mit einem Wort, alles, was dazugehört. Dazu eine Kanne Kaffee.
    Gesättigt und ein bißchen zufriedener trank ich den restlichen Kaffee in kleinen Schlucken und blickte durch die Terrassentür in meinen kleinen Garten hinaus. Er sah schlimm aus. Überall sproß das Unkraut und überwucherte die wenigen Pflanzen, die den Winter überstanden hatten. Die Grasfläche hatte mehr Ähnlichkeit mit einer kleinen Heuwiese als mit einem Rasen. Vielleicht sollte ich mich nach dem Frühstück ihrer annehmen.
    Außerdem mußte ich unbedingt Russel Church von der School of Russian Studies anrufen. Aber nicht heute. Morgen.
    Das Telefon klingelte.
    »Hallo.« Es war das erste Wort, das ich an diesem Tag sagte. Meine Stimme klang heiser und belegt.
    »Vater hier, Nick.«
    »Oh, hallo.«
    »Geht es dir gut?«
    »Danke der Nachfrage. Was ist los, Vater?« Mein Vater rief mich nie an. Meine Mutter gelegentlich, an meinen Geburtstagen vielleicht, oder wenn sie einige Monate nichts mehr von mir gehört hatte. Mein Vater nie.
    »Ich habe dich letzte Woche im Büro angerufen, aber man sagte mir, du seist auf einer Geschäftsreise in Brasilien. Hörte sich interessant an. Als ich dann heute morgen nochmals durchgerufen habe, sagte mir ein netter Bursche, ich würde dich hier erreichen.«
    »Ja, ich bin zu Hause.«
    »Hör zu, Nick, ich will nächste Woche für einen Tag nach London fahren. Ein paar alte Freunde treffen. Dachte, ich könnte bei dir vorbeischauen.«
    Oh, Gott! Genau das, was ich jetzt brauchte.
    »Sehr schön«, sagte ich.
    »Ich glaube, ich weiß noch, wo die Büros von Dekker Ward sind. Die Firma ist doch nicht etwa umgezogen, oder?«
    »Ich arbeite dort nicht mehr.«
    »Wie bitte?« Es klang ziemlich fassungslos.
    »Ich habe gekündigt. Gestern.«
    »Weshalb?«
    Ich stöhnte innerlich. Wie sollte ich ihm das erklären?
    »Die City ist nichts für mich, Vater.«
    Stille. »Ah ja, verstehe.« Eiseskälte schien sich im fernen Norfolk breitzumachen. »Das war eine phantastische Gel e genheit, etwas aus deinem Leben zu machen, Nick.«
    »Die Firma ist etwas fragwürdig, Vater. Ehrlich. Ich bin heilfroh, daß ich da wieder draußen bin.«
    »Nun ja, deine Mutter wird sehr enttäuscht sein«, sagte er. Sie würde wohl eher erfreut sein, dachte ich.
    »Ich würde dich trotzdem gern treffen«, hörte ich mich zu meiner eigenen Überraschung sagen.
    »Nun ja. Ein andermal vielleicht. Ich hatte gehofft, dich sozusagen in situ anzutreffen. Doch wenn du nicht arbe i test, hat es wohl wenig Sinn.«
    »Wohl kaum.«
    »Also dann, auf Wiedersehen.«
    Als ich den Hörer auflegte, empfand ich Schuld und Wut, Schuld, weil ich ihn enttäuscht hatte, Wut, weil er sich nicht mit mir treffen wollte.
    Ich fühlte mich verlassen.
    Jamie hatte gesagt, sie würden die Dave-Nummer mit mir abziehen. Ich fragte mich, was eigentlich aus Dave g e worden war.

Weitere Kostenlose Bücher