Der Marktmacher
Kate, schaffte es aber nicht ganz. Kurz nach sechs klingelte es endlich. Trotz meiner Bemühungen war sie zuerst am Apparat. »Preston Morris«, sagte sie und reichte mir den Hörer. Sie beobachtete mich, während ich ein Treffen um Viertel vor zehn am nächsten Morgen ve r einbarte.
»Was ist das für eine Geschichte?« fragte sie.
»Ach, nur jemand, der mich sprechen will«, antwortete ich.
»Hörte sich aber an wie ein Banker.«
»Findest du? Das werde ich ihm erzählen«, sagte ich und verließ das Zimmer, Kates nachdenklichen Blick im Rü c ken.
D ie Büros von Bloomfield Weiss lagen in Broadgate, einem modernen Bürokomplex mit viel braunem Marmor gleich hinter dem U-Bahnhof Liverpool Street. Nachdem ich mehrere Verteidigungslinien überwunden hatte – Sicherheitsle u te, Empfangsdame, Sekretärin –, wurde ich auf ein Sofa vor einer verschlossenen Tür gesetzt. Beim Warten fiel mir der Besuch ein, den Isabel und ich Humberto Alves in seinem Büro abgestattet hatten. Ich lächelte, als ich mich an die Standpauke erinnerte, die sie ihm gehalten hatte, weil er Bloomfield Weiss das Mandat für den Favela -Deal erteilt hatte. Wenn ich diese Sache durchziehen wollte, brauchte ich ihre Entschlossenheit. Fast hatte ich das Gefühl, daß sie a n wesend war, und ich nahm mir vor, sie nicht zu enttä u schen.
Nach einer knappen halben Stunde ging die Tür auf und heraus trat ein kleiner Mann mit weißem Hemd und Hosenträgern, der mich irgendwie an einen Vogel erinnerte. Er musterte mich mit einem kurzen Blick und war offenbar nicht sehr beeindruckt. Man sah ihm förmlich an, wie er sich entschied, der ganzen Sache nur fünf und keine fün f zehn Minuten zu geben.
Er reichte mir die Hand, sagte: »Sidney Stahl. Darf ich bitten«, und führte mich in ein großes, luxuriös eingerichtetes Büro mit einem riesigen Schreibtisch und einer cr e mefarbenen Sitzgruppe. Zwei Männer, die auf der Kante eines Sofas gesessen hatten, standen auf. Der eine groß und jungenhaft, der andere älter und mehr vom Leben gezeichnet. Mit einer Geste in ihre Richtung erklärte Stahl: »Mein Assistent Preston Morris, mit dem Sie wohl schon gespr o chen haben, und Cy Wolpin, der Leiter unserer Emerging-Markets-Abteilung in London.«
Wir gaben uns kurz die Hände. Stahl sprach mit rauhem New Yorker Akzent. Er war wirklich sehr klein, keine einssechzig groß, und dürfte kaum mehr als fünfundfünfzig Kilo gewogen haben. Die beiden Männer neben ihm übe r ragten ihn um mehr als Haupteslänge, und doch war auf den ersten Blick klar zu erkennen, wer hier der Boß war. Betont hielten sie sich im Hintergrund, als sei es ihnen u n angenehm, auf ihn herunterzusehen.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Elliot?« Stahl setzte sich und forderte die beiden anderen und mich mit einer Geste auf, es ihm nachzutun. Stahls Augen blickten in meine Richtung, waren aber abwesend. Er dachte an die letzte B e sprechung oder bereits an die nächste.
Ich kam sofort auf den Punkt. »Ich habe etwas mehr als einen Monat für Dekker Ward gearbeitet. Vor zwei Wochen habe ich gekündigt.« Na und? schien Stahls Gesicht zu sagen. »Zufällig weiß ich, daß Dekker Ward in den letzten Wochen eine riesige Position mexikanischer Bonds aufgebaut hat.«
»Das weiß der ganze Markt«, sagte Cy Wolpin. »Dekker Ward hat dieses Mexiko-Geschäft gemacht, das war ein Flop, und seither kauft die Firma Anleihen zurück.«
Ich beachtete ihn nicht. Zur Hälfte hatte ich jetzt Stahls Aufmerksamkeit. Zumindest war sein Blick nicht mehr abwesend, sondern blieb auf mich gerichtet. »Dekker Wards Position ist viel größer, als gemeinhin angenommen. Di e F irma hat mexikanische Papiere in einer Gr ö ßenordnung von vier Milliarden Dollar und für weitere zwei Milliarden Dollar andere Papiere. Ihre Verluste bei diesen Positionen sind so groß, daß sie eigentlich zahlungsunfähig ist. Nur der finanzielle Beistand ihres Schwe i zer Anteilseigners Chalmet hält sie noch über Wasser.«
Jetzt hatte ich Stahls ungeteilte Aufmerksamkeit. »Fahren Sie fort!« sagte er.
»Nun, ich weiß, daß Bloomfield Weiss sich stärker auf den Emerging Markets engagieren möchte. Und wie allgemein bekannt, ist das Dekker Wards Markt. Daher mein Vorschlag an Sie: Übernehmen Sie Dekker Ward. Dann ist es auf jeden Fall Ihr Markt.«
Stahl lachte. Es war diese Mischung aus Lachen und Keuchen, die sich ihren Weg erst durch dicke Schichten von Lungenschleim oder Teer bahnen mußte. Der Gesichtsausdruck
Weitere Kostenlose Bücher