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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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hat noch keinen Leichnam gefunden. Wenn sie tot wäre, hätte man sie gefunden. Ich weiß, daß sie lebt. Ich spüre es.«
    »Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Sie recht haben«, sagte ich. Auch ich mußte daran glauben, daß sie noch le b te.
    E ines Abends, es war meine zweite Woche auf Dockenbush Farm, mischte sich Dekker Ward doch in unsere Idylle ein. Jamie war nervös, als er heimkam, und diesmal legte sich die Anspannung nicht nach dem ersten Glas Wein. Es half nichts, unser Tabu mußte gebrochen werden.
    »Was ist los?« fragte Kate.
    »Es läuft nicht besonders in der Firma.«
    »Wieso?«
    Jamie blickte mich an. »Nick wird es wahrscheinlich gern hören. Ich glaube, wir haben Riesenprobleme. Die Kurse sind in dieser Woche in den freien Fall übergegangen, und es sieht ganz so aus, als sollte sich das in der näc h sten Woche fortsetzen.«
    »Was ist passiert?« fragte ich. Absichtlich überschlug ich in der Zeitung alle Nachrichten zu Lateinamerika.
    »In Mexiko ist die Kacke am Dampfen. Überall gehen Banken pleite, die Regierung muß dieses Jahr eine Riesenumschuldung bewältigen, und alle haben gewaltig Schiß vor der Zukunft.«
    »Und Dekker Ward sitzt noch immer auf dem mexikanischen Zwei-Milliarden-Deal?«
    »Ja, eine Long-Position, die unaufhaltsam wächst. Mexiko ist um zwanzig Punkte gefallen, und Ricardo kauft fle i ßig. Weißt du, er glaubt, daß die USA Mexiko wieder rauspauken werden, wie schon 1995. Seiner Ansicht nach ist das eine ausgezeichnete Gelegenheit, bei absoluten Tiefstständen zu kaufen. Er hat sich sogar Mittel von Chalmet beschafft, du weißt, der Schweizer Bank, die neunundzwanzig Prozent von Dekker Ward hält. Wir haben gen ü gend mexikanische Papiere, um den ganzen Canary Wharf Tower damit zu tapezieren.«
    »Wieviel sind es genau?«
    Jamie stöhnte. »Fünf Milliarden an mexikanischen Anleihen und zwei Milliarden an anderen Papieren.«
    »Himmel! Was ist geschehen? Verliert Ricardo die Nerven?«
    »Ricardo nicht. Der amerikanische Kongreß. Hast du schon mal etwas von der Pinnock Bill gehört?«
    »Nein.«
    »Es ist eine Gesetzesinitiative, nach der der Kongreß jede finanzielle Nothilfe, die über einer bestimmten Größenordnung hinausgeht, bewilligen muß. Sie zielt ausdrücklich darauf ab, die Regierung daran zu hindern, Mexiko noch einmal aus der Patsche zu helfen.«
    »Wird sie durchgehen? Oder legt der Präsident sein Veto ein?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Situation ist schwer einzuschätzen. Jedenfalls macht das die mexikanische Situation noch ungewisser. Einige der Bradys sind schon u n ter vierzig gefallen.«
    Wow! Vor einem Monat wurden sie noch in den Sechzigern und Siebzigern gehandelt. »Also kein Bonus dieses Jahr?«
    Jamie seufzte. »Viel schlimmer. Am Anfang des Jahres betrug unser Kapital anderthalb Milliarden Dollar. Nach den gegenwärtigen Kursen sind unsere Verluste größer als unser Kapital. Strenggenommen sind wir zahlungsunfähig. Natürlich sind die Verluste alle noch nicht realisiert. Ni e mand außerhalb des Teams weiß von ihnen, noch nicht einmal Lord Kerton. Es besteht durchaus noch die Mö g lichkeit, daß der Markt uns rettet. Doch bis dahin sind wir auf das Geld von Chalmet und kreative Buchführung a n gewiesen.«
    Jamie hatte recht. Das Ganze ging mir runter wie Honig. Ich gab mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Jamie war sichtlich besorgt. Er wollte natürlich nicht, daß Dekker Ward pleite ging, bevor er seinen ersten wirklich fetten B o nus eingestrichen hatte.
    Als ich mich am nächsten Morgen an den Schreibtisch setzte, stellte ich fest, daß mir meine Konzentration auf die Arbeit an der Dissertation abhanden gekommen war. Die Notizen, die mich gestern vollkommen in Anspruch g e nommen hatten, lagen verstreut vor mir. Meine Augen wanderten zum Fenster hinaus, über die Bäume hinweg.
    Dekker Ward saß also richtig in der Scheiße? Großartig! Leid tat mir nur, daß sie das nicht mir verdankten. Ein bi ß chen Mitleid empfand ich mit Jamie und einigen der and e ren Leute, die nach all der Arbeit, die sie in die Firma gesteckt hatten, nun ihre Bonusse verlieren würden. Aber Jamie hatte schließlich Kate. Also was interessierte ihn das ganze Geld?
    Irgendwie würde Dekker Ward sich da schon wieder herauslavieren. Die Kurse der mexikanischen Anleihen würden wieder nach oben gehen. Wer weiß, vielleicht würde Dekker Ward am Ende sogar ein Vermögen machen, statt eines zu verlieren. Doch im Augenblick war die Firma

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