Der Marktmacher
angeschlagen und verwundbar. Der Zeitpunkt war günstig, um Rache zu nehmen.
Und rächen wollte ich mich. Ricardo und sein Bruder hatten meine Berufsperspektive vernichtet, meine Dissertation gestohlen, mich zusammenschlagen lassen und mich gezwungen, aus meiner Wohnung auszuziehen. Allem Anschein nach würden sie ungestraft davonkommen. Wie hatte Ricardo so schön gesagt? »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.« Gut, dann war ich eben gegen ihn.
Was konnte ich tun?
Kate hatte gesagt, Jamie sollte bei Bloomfield Weiss anfangen. Das würde Ricardo sicherlich ärgern. Aber es würde ihn wohl ziemlich kaltlassen, wenn ich dort anfinge. Ganz abgesehen davon, daß sich diese geweigert hätte, mich überhaupt vorzulassen, bei meiner Erfahrung in der Investmentbranche !
Doch dann hatte ich eine Idee. Zuerst erschien sie mir absurd, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto vielversprechender kam sie mir vor. Ich schob Puschkin zur Seite, kritzelte ein paar Gedanken auf ein leeres Stück Papier und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Zwar brauchte ich ein bißchen Glück, aber wenn mir die Sache gelang, war Dekker Ward ein für allemal erledigt. Und wem hatten sie das zu verdanken? Meiner Wenigkeit!
VIERUNDZWANZIG
A m Nachmittag fragte ich Kate, ob ich ein paar Auslandsanrufe machen dürfte. Ich durfte. Zunächst erfragte ich bei der Auslandsauskunft die New Yorker Nummer von Bloomfield Weiss. Dann in der Vermittlung den Namen des Vorstandsvorsitzenden und die Telefonnummer seines Büros.
Es stellte sich heraus, daß Sidney Stahl in London war. Was für ein Glücksfall! Von seiner Sekretärin in New York bekam ich seine Londoner Nummer. Ich versuchte mein Glück.
»Büro Mr. Wolpin«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Kann ich mit Mr. Stahl sprechen? Ich glaube, er hält sich gegenwärtig in London auf.«
»Das ist richtig. Aber im Augenblick hat er eine Besprechung mit Mr. Wolpin. Mit wem spreche ich?«
»Nick Elliot. Von Dekker Ward.«
»Kann Ihnen vielleicht jemand anders weiterhelfen, Mr. Elliot? Ich denke, Mr. Stahl wird noch eine Zeitlang b e schäftigt sein.«
Sie versuchte mich abzuwimmeln. Klar doch.
»Nein, ich muß mit Mr. Stahl persönlich sprechen. Sagen Sie ihm, es geht um Dekker Wards Verluste bei deren mexikanischer Position. Und teilen Sie ihm auch mit, daß ich inoffiziell anrufe. Ich gebe Ihnen meine Telefonnu m mer. « I ch nannte ihr die von Kate und Jamie.
»Gewiß, Mr. Elliot. Ich werde ihm eine Nachricht zukommen lassen«, erklärte die Frau und brachte mit ihrer Stimm e d ie sichere Gewißheit zum Ausdruck, daß mich Mr. Stahl unter gar keinen Umständen zurückrufen würde. Ursprünglich hatte ich die Absicht gehabt, mich über J a mies Freund Stephen Troughton an Bloomfield Weiss zu wenden, den Gedanken dann aber verworfen. Ich hatte kein Vertrauen zu ihm, und die Ereignisse wären mir zu rasch aus den Händen geglitten. Besser, ich stieg bei dem Mann ganz oben ein.
Ich saß neben dem Telefon im Wohnzimmer und las die Zeitung. Kate spielte im Garten mit Oliver. Sie eilte an mir vorbei, um ihm etwas zu trinken zu holen. »Du machst eine Pause?« fragte sie überrascht. Normalerweise dauerten meine Pausen nie länger als zehn Minuten.
»Ich habe gerade ein Kapitel beendet«, sagte ich, »und belohne mich mit der Zeitung.«
Die Hälfte des Sportteils hatte ich durch, als das Telefon läutete. Hastig griff ich nach dem Hörer.
»Kann ich mit Mr. Elliot sprechen?« fragte die Stimme eines jungen Amerikaners.
»Am Apparat.«
»Preston Morris. Ich arbeite für Mr. Stahl. Wie mir berichtet wurde, haben Sie vorhin versucht, ihn zu erreichen.«
Ich blickte mich um. Kate war noch im Garten. »Ich muß mit Mr. Stahl höchstpersönlich sprechen«, sagte ich.
»Das ist heute leider nicht mehr möglich, Sir. Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Man nahm mich offenkundig unter die Lupe.
»Okay. Hören Sie zu. Ich bin ein ehemaliger Mitarbeiter von Dekker Ward und habe Informationen über die jün g sten Verluste der Firma im Emerging-Markets-Geschäft. In diesem Zusammenhang hätte ich Bloomfield Weiss einen Vorschlag zu machen. Den möchte ich Mr. Stahl im Verlauf des morgigen Tages unterbreiten. Ich brauche lediglich fünfzehn Minuten seiner kostbaren Zeit. Wenn ihm nicht gefällt, was ich ihm zu sagen habe, kann er mich ja rau s werfen.«
»Gut. Ich frage Sidney und rufe Sie wieder an.«
Den ganzen Nachmittag über versuchte ich, näher am Telefon zu sein als
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