Der Marktmacher
kann man so sagen, Sir!«
Einen Augenblick lang ruhten Kertons kühle blaue Augen prüfend auf mir, dann wandte er sich wieder an Stahl. »Nehmen Sie Platz, Gentleman.« Es klopfte, und ein l i vrierter Angestellter trat mit Kaffee ein. »Wie von Ihnen gewünscht , komme ich allein. Ich habe niemandem in der Firma von Ihrem Besuch erzählt. Sie machen es ja sehr spannend. Worum geht es also?«
»Okay Mr …. äh«, Stahl legte ein für ihn ganz untypisches Zögern an den Tag. »Geht Andy in Ordnung?« fragte er.
Kerton lächelte. »Andy ist sehr gut, Sid.« Ich bemerkte, daß Dwight Godfrey leicht zusammenzuckte. Offenbar hörte Stahl lieber Sidney als Sid.
»Okay, Andy. Es ist ganz einfach. Wir möchten Ihnen eine Übernahmeofferte machen.«
Kerton lehnte sich zurück. »Ich fühle mich geschmeichelt«, sagte er und sah auch so aus . » Aber Dekker Ward verzeichnet im Augenblick ein starkes Wachstum, und wir gehen davon aus, daß diese Tendenz weiter anhält. Ich glaube, zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir kein gr o ßes Interesse an einem Verkauf.«
»Okay«, sagte Stahl und wartete.
»Nun gut«, sagte Kerton, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen. »Ich muß zugeben, daß Sie meine Neugier geweckt haben. An was für einen Preis haben Sie denn g e dacht?«
»Zehn Millionen Pfund.«
Kerton schnaubte verächtlich. »Zehn Millionen! Das ist absurd. Sicher haben Sie festgestellt, daß wir unsere Ergebnisse nicht veröffentlichen, aber unser jährlicher Gewinn liegt erheblich höher. Tatsächlich betragen schon unsere monatlichen Gewinne das Mehrfache dieser Summe.«
»Das ist uns durchaus bekannt«, sagte Stahl und fixierte Kerton mit seinen braunen Augen. »Allerdings wissen wir auch, daß Sie mit Ihren Emerging-Market-Boys im Canary Wharf Tower ein Problem haben. Aber wir wissen nicht, ob Ihnen die Größenordnung des Problems bekannt ist.«
Das ließ Kerton aufhorchen. »Ich vermute, Sie spielen auf die Mexiko-Emission an, die letzten Monat über die Bühne gegangen ist?«
»Darauf und auf einige andere Dinge.«
»Na ja, das Geschäft war kein Erfolg. Es kam zum falschen Zeitpunkt. Doch wenn man, wie wir, einen Markt beherrscht, kann man sich nicht nur die Rosinen herauspicken, man muß auch die Kröten schlucken. Hören Sie, wenn Sie über die Emerging Markets Group sprechen wo l len, dann sollten Sie sich besser an Ricardo Ross halten.« Er griff zum Telefon.
»Lassen Sie das, Andy!« sagte Stahl. »Das ist noch nicht alles. Nick?«
»Nun, Sir. Ich habe erfahren, daß Ricardo mexikanische Bonds für vier Milliarden Dollar und andere lateinamerikanische Rentenpapiere für zwei Milliarden Dollar gekauft hat. Wie Sie wissen, sind die Kurse in den letzten zwei W o chen stark eingebrochen. Soweit mir bekannt ist, betragen Dekker Wards Verluste mehr als anderthalb Milliarden Dollar.«
Kerton schwieg. Sein Gesichtsausdruck wechselte von höflicher Aufmerksamkeit zu unverhohlener Feindseligkeit. Natürlich wußte er nichts davon. Er kam sich vor wie ein Narr und fühlte sich in die Zange genommen. Schlie ß lich ging er zum Gegenangriff über. »Wer zum Teufel sind Sie überhaupt?« wandte er sich an mich. »Haben wir Sie nicht rausgeschmissen?«
»Ich habe gekündigt, bevor Sie die Möglichkeit dazu hatten, Sir.«
Er wandte sich wieder Stahl zu. »Ich begreife nicht, wie Sie auf diesen Mann hören können. Es ist doch offensich t lich, daß er sich nur rächen will.«
»Es paßt aber zu dem, was wir an Informationen über den Markt haben, Andy«, sagte Stahl. »Ich glaube ihm.«
»Ich nicht. Und ich glaube, Sie sollten jetzt besser gehen. Ich sehe keinen Grund, mir solche substanzlosen Verdäc h tigungen anzuhören.«
Stahl erhob sich. »Okay, Andy. Wir gehen. Aber prüfen Sie nach, was Nick Ihnen erzählt hat. Und lassen Sie von sich hören, wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten. Nu r e i nes, in Ihrem ureigenen Interesse, erzählen Sie Ross nichts von unserem Gespräch. Zumindest so lange nicht, bis Sie wissen, daß er nichts vor Ihnen geheimhält.«
In eisigem Schweigen begleitete Kerton uns zum Ausgang des Gebäudes.
A m folgenden Tag rief Stahl gegen Mittag an. »Kerton will mit uns reden. Er kommt in unser Büro. Können Sie um drei Uhr da sein?«
»Ich komme.«
Es war knapp, aber ich sprang in einen Anzug, radelte zum Bahnhof, nahm den Zug nach London und die U-Bahn zur Liverpool Street und betrat zwei Minuten vor drei die Büroräume von Bloomfield Weiss. Wir trafen uns in
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