Der Marktmacher
einem Konferenzraum: Kerton, Stahl, seine beiden Banker und ich. Der Raum war sehr viel nüchterner als der Sitzungssaal bei Dekker Ward, aber er bot einen reizvollen Ausblick auf einen riesigen Eisenphallus, der aussah, als hätte ihn der Wind umgeknickt. Kerton hatte jemanden mitgebracht, den er als Giles Tilfourd von Tilfourd and Co. vorstellte, einer kleinen Firma, die sich auf Unternehmensfinanzierung spezialisiert hatte. Daß er sich einen eigenen unabhängigen Sachverständigen mitgebracht hatte, war verheißungsvoll. Es stand zu erwarten, daß am Ende unserer Unterhaltung konkrete Ergebnisse vorliegen würden.
»Okay, Andy«, sagte Stahl, »dann schießen Sie mal los.«
Kerton zog sich gut aus der Affäre, indem er einen kühlen Kopf behielt. Er wirkte zwar nachdenklich, aber nicht wie ein Mann, der gerade hatte entdecken müssen, daß sein Aktienpaket, von dem er geglaubt hatte, es sei einige Hundert Millionen Dollar wert, nur noch für fünf Milli o nen gut war.
Hart, aber wahr.
»Vielleicht können Sie mir noch einmal die Einzelheiten Ihrer Offerte erläutern …«
Die Verhandlungen kamen gut voran. Dazu waren sie auch verdammt. Jeder weitere Kursverlust würde Dekker Ward wertlos machen. Schlimmer noch, es würden Verbindlic h keiten auflaufen, die sogar für eine Firma wie Bloomfield Weiss eine Nummer zu groß waren. Stahl verließ London, aber Godfrey und Schwartz blieben und hielten mich auf dem laufenden. Kerton zog Ricardo nicht ins Vertrauen. Unter dem Vorwand einer internen Buchprüfung schickte er ein Trio seiner eigenen Leute in den Canary Wharf Tower. Das beunruhigte Ricardo offensichtlich ein wenig, machte ihn aber noch nicht mißtrauisch. Er war sich s i cher, jeden internen Prüfer an der Nase herumführen zu können.
Jeden Tag kaufte ich mir das Wall Street Journal . In Mexiko schien es weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung der Lage zu geben. Es war ungewiß, was für ein Schicksal der Pinnock Bill im Kongreß beschieden sein würde. Offenbar war sie etwas in Vergessenheit geraten über einer Diskussion, in der es darum ging, welche Militärstützpunkte in den Vereinigten Staaten geschlossen werden sollten.
Unter diesen Umständen hatte ich natürlich Schwierigkeiten, mich auf meine Dissertation zu konzentrieren, aber ich tat mein Bestes. In meinem Zimmer im Obergeschoß von Kates und Jamies Haus wanderten meine Gedanken immer wieder zu der Übernahme. Es waren erbauliche Gedanken. Immer wieder stellte ich mir den Ausdruck auf Ricardos Gesicht vor, wenn er erfuhr, daß Dekker Ward ohne sein Wissen verkauft worden war. Und das ausgerechnet an Bloomfield Weiss. Das würde selbst ihn nicht kaltlassen. Wahrscheinlich hatten Eduardo und er genügend Geld auf der hohen Kante; trotzdem würde ihn dieser Vorgang viel härter treffen als jeder Verlust an Geld. Dies käme einer öffentlichen Demütigung gleich. Dem Eingeständnis, daß die angeblich so mächtige Dekker-Ward-Maschine nichts anderes war als ein Haufen wertloser P a piere.
Ich dachte an Isabel und lächelte grimmig. Ihr hätte es sicherlich gefallen. Wenn sie denn noch am Leben war. Da war sie wieder, die mittlerweile so vertraute, ständig im Hintergrund lauernde Angst. Am liebsten hätte ich Luís angerufen, um zu hören, ob es etwas Neues gab, aber es war sinnlos. Er hätte sich sofort mit mir in Verbindung g e setzt, wenn er etwas gehört hätte. Ob er jemals etwas hören würde?
Die anderen Leute bei Dekker Ward taten mir leid : Charlotte Baxter, Miguel, Pedro und natürlich Jamie. Doch Bloomfield Weiss hatte vor, die meisten von ihnen zu übernehmen. Tatsächlich ging es Stahl bei dem Kauf in e r ster Linie um Ricardos Leute. Sie waren gut. Auch ohne R i cardo waren sie die Besten auf dem Markt.
Ich wurde in meinen Gedanken durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
»Herein!«
Es war Kate. Sie sah sehr ernst aus. In der rechten Hand trug sie einen braunen Umschlag. Ich erkannte ihn sofort.
Mist! Es war ein interner Bericht, den die Analysten von Bloomfield Weiss über Dekker Ward zusammengestellt hatten.
»Wo hast du den gefunden?« fragte ich.
»Unten am Telefon.«
Verdammt! Ich hatte Dwight Godfrey am Vortag angerufen, als Kate Oliver vom Kindergarten abgeholt hatte. Er hatte wissen wollen, ob sich der Bericht mit dem deckte, was ich bei Dekker Ward beobachtet hatte. Das tat er, im großen und ganzen.
»Hast du ihn gelesen?«
»Ja.«
Kate stand in der Mitte des Zimmers. Sie war eine
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