Der Marktmacher
Tür. Es schien ihm nichts auszumachen, um Mitte r nacht gestört zu werden.
»Kann ich Lord Kerton sprechen?« fragte ich.
»Sie haben leider das falsche Haus erwischt. Der wohnt hier nicht.«
»Oh, das tut mir schrecklich leid, Sir. Ich habe eine Expreßzustellung für ihn«, sagte ich und hielt das geschlossene Ende des Umschlags hoch. »Können Sie mir vielleicht sagen, in welchem Haus er wohnt?«
»Vier Türen weiter«, sagte der Mann bereitwillig und zeigte in die entsprechende Richtung.
Ich dankte ihm und ging auf Kertons Haus zu. Kate sah es und stieg aus dem Wagen.
»Vielen Dank, Kate. Ich versuche es am besten allein.«
»Er wird eher bereit sein, uns beide zu empfangen.«
Sie hatte recht.
Ich klingelte an der Tür. Wir mußten nicht lange warten.
Kerton trug eine alte grüne Hose und ein gestreiftes Baumwollhemd. Keine Schuhe und Strümpfe.
Als er mich erkannte, erschien auf seinem Gesicht ein Ausdruck abgrundtiefen Widerwillens. »Was zum Teufel wollen Sie denn hier?«
»Dürfen wir hereinkommen, Sir?« fragte ich.
»Nein. Verlassen Sie sofort das Anwesen!«
Er versuchte, die Tür zu schließen. Ich lehnte mich gegen sie. »Bitte, nur fünf Minuten.«
»Verschwinden Sie, oder ich rufe die Polizei.«
Kate drängte sich zwischen uns. Sie war erheblich kleiner als wir beide, aber sie richtete ihren Blick mit großer Entschlossenheit auf Kerton. »Wenn Sie uns jetzt hinau s werfen, wird Isabel Pereira sterben.«
Das ließ ihn für einen Moment innehalten. »Sie lebt also noch?«
»Ja, im Augenblick jedenfalls«, sagte Kate.
Er dachte nach. Ganz offenkundig musterte er Kate etwas freundlicher als mich. »Na gut, ich weiß zwar beim b e sten Willen nicht, wovon Sie sprechen, aber vielleicht ist es wirklich besser, wenn Sie hereinkommen.«
Er führte uns über eine Treppe in ein großes, gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer im ersten Stock.
»Setzen Sie sich«, sagte er und wies auf das Sofa.
Er nahm ein aufgeschlagenes Buch vom Sessel und legte es mit dem Titelbild nach unten auf einen kleinen Tisch. Ich erhaschte einen Blick auf den Umschlag. Es war eines von Terry Pratchetts Discworld -Büche rn . Er sah, daß ich es gesehen hatte, und wurde etwas verlegen.
»Also, sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und dann gehen Sie bitte.«
Er sah müde aus. Es war spät, und die letzten Tage waren offensichtlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Die Übernahme seines Unternehmens hatte ihm offe n kundig zugesetzt.
»Kennen Sie Isabel?« fragte ich.
Kerton nickte. »Flüchtig. Sie ist sehr, äh, bemerkenswert.«
Ich war nicht überrascht, daß Kerton Isabels Reize zu schätzen wußte. Das ging den meisten Männern so. Aber es war ein gutes Zeichen.
»Nun, wie Sie wissen, ist sie letzten Monat gekidnappt worden. Zunächst sah es so aus, als hätte man sie umgebracht, doch dann stellte sich heraus, daß die Entführer sie nur versteckt gehalten hatten. Gestern hat man ihrem Vater mitgeteilt, daß sie sterben wird, wenn die Übernahme von Dekker Ward durch Bloomfield Weiss zustande kommt. Luís Pereira und der Entführungsspezialist, der ihn berät, nehmen die Drohung sehr ernst. Ich auch.«
Kerton hörte aufmerksam zu. »Was haben diese Entführer für ein Interesse an der Übernahme?«
»Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Eduardo Ross hinter Isabels Entführung steckt.«
»Nein! Haben Sie einen Beweis?«
»Keinen eindeutigen, das nicht. Aber Sie sagen es ja selbst: Wie ist sonst das Interesse der Entführer an Dekker Wards Zukunft zu erklären?«
»Ich kann einfach nicht glauben, daß Eduardo Ross zu dergleichem imstande sein soll.« Die Förmlichkeit, mit der er das vorbrachte, hatte etwas Lächerliches.
Kerton kannte Eduardo. Jeder, der Eduardo kannte, wußte, daß er durchaus zu einer Entführung imstande war.
Ich hob die Augenbrauen.
»Na gut«, sagte Kerton. »Aber woher soll Eduardo von der Übernahme gewußt haben? Ich dachte, wir hätten Ricardo im unklaren gelassen.«
Ich zuckte mit den Achseln. »Es muß etwas durchgesickert sein.«
»Hm. Und was erwarten Sie jetzt von mir?«
»Machen Sie das Geschäft rückgängig.«
Kerton runzelte die Stirn. »Das kann ich nicht. Wie Si e w issen, ist Dekker Ward quasi zahlungsunfähig. Wenn ich an Bloomfield Weiss verkaufe, kann die Firma vielleicht in der einen oder anderen Form überleben, und ich bekomme noch etwas für sie. Wenn das Geschäft platzt, muß ich Konkurs anmelden.«
»Können Sie das Procedere nicht
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