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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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mehr. Jamie war einer von Ricardos Leuten. Er war, was ich geworden wäre, wenn ich dort geblieben wäre. Ricardo sorgte gut für seine Leute und erwartete von ihnen absolute Loyalität. In J a mies Fall bekam er sie.
    Jamie hatte sich immer die Regeln der Institutionen zu eigen gemacht, in denen er sich befand. Mit siebzehn hatte er die Public-School-Tugenden verkörpert und war mit dem Amt des Schulsprechers belohnt worden. In Oxford hatte er eine gesellschaftliche und sportliche – wenn auch keine große akademische – Karriere gemacht. Bei Gurney Kroheim hatte er sich gegenüber Kollegen und Kunden ganz das Erscheinungsbild des peniblen Handelsbankers zugelegt. Jetzt bei Dekker Ward hielt er sich bereitwillig an Ricardos Regeln und kam gut mit ihnen zurecht. Bislang schien er damit Erfolg zu haben.
    Aber verdammt noch mal, Jamie war mein Freund! Wi e k onnte Ricardo es wagen, mir auch ihn noch wegzunehmen? Was uns verband, hatte doch ältere Wurzeln und reichte tiefer.
    Doch wenn es so war, wie hatte ich dann hinter Jamies Rücken Dekker Wards Untergang inszenieren können? I n zwischen begann ich es zu bedauern. Es sah so aus, als sollte mich diese Entscheidung meinen besten Freund kosten. Und wenn kein Wunder geschah, würde sie auch Isabel das Leben kosten.
    Aber ich war der ehrlichen Überzeugung gewesen, daß es für Jamie nur von Vorteil sein würde, wenn Bloomfield Weiss Dekker Ward übernahm.
    Und was war mit Kate? Ich hätte sie nicht mit hineinziehen dürfen. Auch mit ihr war ich gut befreundet, und ich konnte förmlich fühlen, wie sie die Achtung für Jamie verlor. Die beiden auseinanderzubringen, war wirklich das letzte, was ich wollte. Doch wenn ich nicht aufpaßte, würde genau das passieren.
    Das schwierigste Problem hatte ich natürlich noch vor mir: Wie sollte ich es anstellen, Isabel zu finden und zu b e freien?
    Ich seufzte, leerte mein Whiskyglas und sah auf die Uhr. Drei. Die Frist der Entführer lief um vier Uhr englischer Zeit ab. Noch eine Stunde.
    Ich nickte in meinem Stuhl ein und wurde vom Telefon geweckt. Zehn nach vier. Die ersten Amseln schmetterten vor den Fenstern ihr Lied dem neuen Tag entgegen.
    »Nick? Luís hier.«
    »Was hat Zico gesagt?« fragte ich ihn.
    »Sie lassen sie am Leben. Ich habe ihm mitgeteilt, daß der Deal nicht annulliert, sondern nur aufgeschoben worden ist. Sollte das Geschäft abgewickelt werden, sagte er, bringen sie Isabel um.«
    »Dann haben wir also bis zum nächsten Mittwoch Zeit, sie zu finden.«
    »Ja. Wenigstens lebt sie noch.«
    »Wenigstens lebt sie noch«, wiederholte ich.
    In der Hoffnung, daß ihre Lebensgeister wenigstens noch so wach waren wie die Morgendämmerung, die jetzt hier in England durch die Vorhänge sickerte, schleppte ich mich müde die Treppe hoch ins Bett.
    U m neun wachte ich auf. Fünf Stunden Schlaf reichten mir, um wieder zu Kräften zu kommen. Kate brachte Oliver in den Kindergarten, und Jamie war schon vor Stunden au f gebrochen. Ich machte mir Kaffee und Toast und ging wi e der nach oben, um nachzudenken.
    Alle Gedanken an Jamie, Kate, meine berufliche Zukunft und mein Wohnungsproblem verbannte ich aus meinem Bewußtsein. Ich mußte mir darüber klarwerden, wie wir Isabel bis zum nächsten Mittwoch finden konnten. Höhnisch starrten mich die leeren weißen Blätter an, die ich hervorgeholt und vor mir ausgebreitet hatte.
    Wer auch immer Isabels Entführung organisiert hatte, wollte, daß Dekker Ward unabhängig blieb. Ricardo und Eduardo hatten natürlich das größte Interesse daran. Doch Ricardo leugnete jede Kenntnis der Entführung. Von England aus würde man ihnen eine Beteiligung schwerlich nachweisen können.
    Doch wie stand es mit Brasilien? Mit Rio? Das sah schon besser aus. Ich begann, ein paar Gedanken zu Papier zu bringen.
    Die Entführer kamen aus Rio. Auch die Bande, die mich niedergestochen hatte, kam aus Rio, selbst wenn es nur Halbwüchsige gewesen waren. Dave vermutete, daß diese Vorgänge etwas mit Martin Beldecos Tod in Caracas und mit dubiosen Geldgeschäften bei Dekker Trust zu tun hatten. Mit einer Geldwäsche, die von Francisco Aragão , R i cardos Schwager, organisiert wurde.
    Doch welchen Grund sollte Francisco Aragão haben, Isabel zu entführen?
    Ich betrachtete meine Notizen. Es war klar, daß ich nach Brasilien mußte, wenn ich herausfinden wollte, wo sich Isabel befand. Bis dahin gab es allerdings noch eine Spur in England, der ich nachgehen konnte.
    Ich holte die Liste mit den

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