Der Marktmacher
»Wenn du nicht dabeigewesen wärst, hätte er niemals eingewilligt.«
»Hat er aber nun.«
»Richtig.«
»Und was tust du jetzt?«
»Auf Luís ’ Anruf warten. Zu Bett gehen. Schlafen. Dann nachdenken.«
Als wir nach Hause kamen, war es bereits nach zwei. Jamie war noch auf und wartete auf uns. Der Fernseher lief, und neben seinem Sessel stand ein Whiskyglas und e i ne Karaffe.
Unruhig stand er auf. »Was ist los?«
»Wir mußten mit Lord Kerton sprechen.«
»Worüber? Worüber mußtet ihr denn mit Lord Kerton sprechen?«
Ich zuckte mit den Achseln.
»Hör mal, er ist der Präsident der Firma, in der ich arbeite. Du kannst nicht einfach zu ihm fahren und mit ihm sprechen, ohne mir zu sagen, worum es geht. K a te?«
Kate stand mitten im Wohnzimmer und sah mich verzweifelt an. Ich nickte. Wir konnten es nicht länger vor J a mie geheimhalten.
Sie ließ sich aufs Sofa fallen. Jamie setzte sich wieder n e ben sein Whisky glas. Ich blieb stehen.
»Wir haben Andrew Kerton gebeten, den Verkauf von Dekker Ward an Bloomfield Weiss bis zum nächsten Mittwoch aufzuschieben«, sagte sie schließlich ruhig.
»An Bloomfield Weiss verkaufen?« Jamie war mit einem Satz auf den Beinen. »Was redest du da für einen Mist? Bloomfield Weiss denkt gar nicht daran, Dekker Ward zu kaufen.«
Kate nickte. »Doch. Seit zwei Wochen verhandelt die Firma insgeheim mit Andrew.«
»Himmel!« Jamie ließ sich wieder in den Sessel fallen . » Und was habt ihr beiden damit zu tun?«
Ich schluckte. »Es war meine Idee«, sagte ich.
»Deine Idee?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil Ricardo es verdient hat.«
Jamie sah entsetzt aus. »Ich kann das einfach nicht glauben!« Er blickte Kate an. »Und du hast von all dem g e wußt?«
»Ich habe es erst vor zwei Tagen herausgefunden.«
Kate wich Jamies Blick aus.
»Das ist ja unglaublich! Wie konntet ihr mir das antun? « L angsam wich das Entsetzen der Wut.
»Hör mal, Jamie«, sagte ich beschwichtigend. »Dekker Ward steckt in großen Schwierigkeiten. Die Firma steht kurz vor der Pleite. Wenn Bloomfield Weiss sie übernimmt, behältst du deine Stellung.«
»Darum geht es nicht!« Es hielt Jamie nicht in seinem Sessel. Er stand auf und wanderte unruhig im Zimmer umher . » Wir sind ein Team. Und ob es dir gefällt oder nicht, Nick, wir sind Ricardos Team. Du würdest das Team ze r schlagen.«
Nun wurde ich meinerseits wütend. »Du redest genau wie Ricardo! Er ist kein Opfer des Finanzestablishments, genauso wenig wie du. Er ist ein sehr wohlhabender Mann, der sein Geld damit verdient hat, daß er alle reingelegt hat, die mit ihm Geschäfte gemacht haben. Und mich hat er auch reingelegt.«
Jamie starrte mich an. Ich hielt seinem Blick stand und versuchte, den letzten Rest an Fassung zu bewahren. »Isabel ist von jemandem entführt worden, der möchte, daß Dekker Ward seine Unabhängigkeit behält. Jemand hat gedroht, daß Isabel stirbt, wenn Dekker Ward übernommen wird. Und nun erzähle mir bitte nicht, daß Ricardo nicht auf die eine oder andere Art dahintersteckt.«
Jamie schwieg und dachte nach über das, was er gerade gehört hatte. Schließlich sagte er: »Nick, ich weiß, wir w a ren Freunde, aber du kannst nicht in meinem Haus wohnen, während du mit Bloomfield Weiss gegen Ricardo in t rigierst.«
»Jamie!« protestierte Kate.
»Tut mir leid, Kate, aber du hättest ihm nicht helfen dürfen.«
»Ich wollte verhindern, daß das arme Mädchen sterben muß.«
Jamie achtete nicht auf sie und wandte sich an mich. »Ich muß dich bitten, mein Haus zu verlassen!« sagte er.
»Das kann er nicht. Er weiß doch nicht, wohin!« rief Kate aus.
»Gut, dann sieh zu, daß du bis zur nächsten Woche draußen bist. Und je weniger ich in der Zwischenzeit von dir sehe, um so besser.« Damit verließ er das Zimmer. Ich konnte seinen schweren Schritt auf der Treppe hören.
Mit großen, vor Schreck geweiteten Augen sah Kate mich an. Sie biß sich auf die Lippen. »Nick, es tut mir so leid.«
»Mir tut es leid«, sagte ich. »Geh zu ihm. Du mußt jetzt bei ihm sein.«
Sie nickte und folgte ihm die Treppe nach oben.
Allein blieb ich im halbdunklen Wohnzimmer zurück. Ich holte mir ein Glas und goß mir von Jamies Whisky ein.
Ich hätte Jamies Reaktion vorhersehen können. Er war ein loyaler Dekker-Ward-Mann. Bisher hatte ich diese Loyalität immer auf Gier oder zumindest Ehrgeiz zurückgeführt – den Ehrgeiz, ein Vermögen zu machen, was fast auf das gleiche hinauslief. Aber es war
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