Der Marktmacher
Sumpfland, traf den Zug mit ungezügelter Wucht und trieb die prasselnden Tropfen gegen die Fenster. Ich lehnte mich zurück und kam mir überhaupt nicht schlau vor.
VIERZEHN
A m Montag morgen schien sich der Weg zur Arbeit endlos in die Länge zu ziehen. Das Wetter war miserabel, und der Sinn stand mir nicht nach Arbeiten. Als ich endlich im vierzigsten Stock eintraf, noch immer tropfnaß, hatte die allmorgendliche Besprechung bereits begonnen.
Als hätte Ricardo nur auf meine Ankunft gewartet, räusperte er sich und sagte : »Ich bin sicher, daß Sie letzte Woche alle den Artikel in der IFR gelesen haben. Der Inhalt des Artikels macht mir keinen Kummer. Er ist offenkundiger Blödsinn, allerdings sehr beleidigend für Martin und seine Angehörigen. Was mir zu schaffen macht, ist die Tatsache, daß einer von uns mit einem Journalisten g e sprochen und ihm Informationen gegeben hat, die sehr nachteilig für die Firma waren. Diese Person ist entlassen worden.«
Allgemeines Murmeln war zu hören. Alle blickten sich an, um zu sehen, wer fehlte. Rasch nahm das Murmeln den Klang eines Namens an. Dave. Dave! Warum hatte er das getan? Was hatte er gesagt?
»Dieser Mann wird nicht nur Dekker Ward verlassen, sondern auch keinen Penny mehr auf den Rentenmärkten verdienen«, fuhr Ricardo mit schneidender Stimme fort. »Er hat die Verschwiegenheitsverpflichtung gebrochen, die Sie alle unterschrieben haben, als Sie bei Dekker Ward a n gefangen haben. Infolgedessen hat er auch alle Anteile an den Mitarbeiter-Trusts verloren. Wir haben ihm untersagt, noch irgendwelche Interviews zu geben. Wir werden die Branche darüber informieren, daß er große Spekulation s verluste gemacht und sie verheimlicht hat. Ich erwarte von Ihnen allen, daß Sie diese Version bestätigen, wenn man Sie fragt.«
Alles schwieg. Dave war sehr beliebt gewesen. Die Stimmung im Börsensaal schwankte zwischen Betroffenheit über seine Entlassung und Empörung über den Verrat, den er an uns allen begangen hatte.
»Einige von Ihnen werden diese Reaktion vielleicht als zu hart empfinden. Aber wir sind hier ein Team. Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Es gibt da draußen viele Me n schen, denen Dekker Ward und seine Erfolge nicht gefallen. Gemeinsam sind wir stark. Doch wenn einer von uns den anderen in den Rücken fällt, wie es dieser Mann getan hat, dann sind wir alle verwundbar. Und das werde ich unter gar keinen Umständen zulassen.«
Ricardo blickte sich im Börsensaal um. In seinen Augen, die gewöhnlich so beherrscht blickten, funkelte Wut. Aber sogar seine Wut war ansteckend. Wir alle waren w ü tend.
Die Besprechung war zu Ende, und wir tauschten vielsagende Blicke aus. Viele Augen suchten den verlassenen Schreibtisch, an dem Dave gearbeitet hatte. Alberto, der sechzigjährige »Kaffee-Boy«, packte Daves Habseligke i ten in zwei Kartons. Unter Ricardos strengem Blick kehrten wir ziemlich gedrückter Stimmung an unsere Schrei b tische zurück, um die Hörer aufzunehmen, doch im Laufe des Vormittags begann die Gerüchteküche kräftig zu br o deln.
Und nicht nur bei Dekker Ward. Auf dem Markt hatte sich bereits herumgesprochen, daß Dave der ganz besonders gefährlichen Spezies von Spekulanten angehörte, die nicht nur Verluste machen, sondern sie auch noch zu vertuschen suchen. Das Gerücht kehrte zurück in unseren Börsensaal, wo es zu meiner Überraschung bestätigt wurde. Sogar Jamie erklärte Chris Frewer gegenüber, daß es sti m me.
»Warum sagst du so etwas?« fragte ich betroffen. »Warum sagst du nicht einfach, du weißt nicht, was los ist?«
Jamie seufzte. »In dieser Situation mußt du dich an di e L inie der Partei halten. Ricardo wird uns im Auge behalten. Das ist ein Loyalitätstest für uns alle. Und er hat recht. Wir können nur Erfolg haben, wenn wir zusammenha l ten.«
Mit wachsender Abscheu beobachtete ich, was um mich herum vorging. Die anfängliche Betroffenheit über den Verlust eines Freundes legte sich in dem Maße, wie Daves Charakter umgeschrieben wurde. Genauso, wie sich die Dekker-Ward-Maschine einreden konnte, daß eine lausige Anleihe die Investmentchance des Jahres war, so gewannen die Dekker-Ward-Leute jetzt die Überzeugung, daß Dave ein unfähiger Betrüger war. Das geschah en t schlossen und vorsätzlich, und keiner blickte dem anderen dabei in die Augen.
Bestürzt beobachtete ich das Geschehen. Ich hatte keine Ahnung, ob Dave ein guter oder schlechter Trader war, aber ich wußte, daß er nicht
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