Der Marktmacher
Ich kann mir durchaus vo r stellen, daß Eduardo seine Abneigung gegen jemanden überwindet, wenn es um Geld geht.«
»Möglich«, sagte Isabel. »Aber er weiß, daß sein Bruder damit nicht einverstanden wäre.«
»Falls der es überhaupt je herausfände.« Unser Bier war zur Neige gegangen. »Noch eines?« fragte ich.
Abwesend nickte Isabel. Sie war noch mit dem beschäftigt, was sie soeben gehört hatte.
Ich ging noch zwei Budvar von der Bar holen und kam zurück. »Was soll ich nun tun?« fragte ich, als ich mich setzte . » Ich habe Eduardo nichts erzählt, und Jamie sagt, ich soll das Ganze vergessen.«
»Schwierig«, sagte Isabel. »Ich denke, Jamie hat recht. Sie sollten Eduardo nichts davon erzählen. Die Wahrschei n lichkeit, daß er etwas damit zu tun hat, ist zu groß, und dann würden Sie sich selbst in ziemliche Gefahr bri n gen.«
»Sie meinen, wenn er wüßte, daß ich ihn im Verdacht habe, Geld zu waschen.« Ich überlegte, ob ich mich nicht schon längst in diese Situation gebracht hatte.
»Ja. Aber meiner Meinung nach sollten Sie unbedingt mit Ricardo sprechen.«
»Dann würde er es doch sofort seinem Bruder erzählen! « p rotestierte ich.
»Gut möglich. Aber ich vertraue ihm in diesem Punkt. Ich glaube nicht, daß er etwas damit zu tun hat. Er sollte informiert werden.«
Ricardo vertrauen? Dazu war ich nicht so ohne weiteres bereit.
»Und wenn man sich an die Polizei wendet?« fragte ich.
Isabel schüttelte entschieden den Kopf. »Das würde Ricardo Ihnen nie und nimmer verzeihen. Wenn Sie sich an die Polizei wenden, ohne zuvor mit ihm darüber gesprochen zu haben, dann fühlt er sich hintergangen. Und das zu Recht. Nein, ich finde, Sie sollten mit ihm reden.«
»Hm.«
»Was werden Sie tun?« fragte Isabel.
»Ich denke darüber nach«, sagte ich. Und das würde ich tatsächlich. Aber ich war mir ziemlich sicher, daß es am klügsten war, den Mund zu halten, fürs erste zumindest.
Meine Befürchtungen hinsichtlich der Ermordung von Martin Beldecos und des Angriffs auf meine Person erschienen mir jetzt noch begründeter. Doch ich hatte keine Lust, sie mit Isabel zu erörtern. Sonst mochte sie womöglich noch den Eindruck gewinnen, ich sähe die ganze S a che etwas zu melodramatisch. Wenn Jamie mich für einen Narren hielt, konnte ich damit leben, aber Isabel sollte auf keinen Fall glauben, ich litte unter Verfolgungswahn.
Ich konnte mir allerdings nicht verkneifen, sie nach dem Mann zu fragen, der mir mehr und mehr wie mein Vo r gänger vorkam.
»Was für ein Mensch war Martin Beldecos?«
»Sehr nett«, sagte Isabel. »Er war still, fast schüchtern, und ging in seiner Arbeit auf.«
»Er war Amerikaner?«
»Stimmt. Aus Miami. Er hatte dort in der Niederlassung einer der großen US-Banken gearbeitet, die viele Priva t kunden aus Lateinamerika haben.«
»Und wissen Sie, was er genau getan hat?«
»So richtig nicht. Ich glaube, offiziell war er bei Dekker Trust angestellt. Die Hälfte der Zeit verbrachte er hier, die andere Hälfte auf den Caymans. Er war mit irgendeinem Projekt für Eduardo beschäftigt, das sehr vertraulich g e handhabt wurde, aber offensichtlich etwas mit Dekker Trust zu tun hatte. Er hat uns eine Menge Fragen über Kunden von uns gestellt, die dort Konten haben.« Sie hielt inne. »Die Sache mit ihm ist schrecklich. Er war erst dre i ßig.«
»Hatte er Angehörige?« fragte ich.
»Eltern. Und einen Bruder und eine Schwester, glaube ich. Sie leben alle in Miami. Verheiratet oder mit jemandem liiert war er nicht.« Sie blickte mich forschend an. »Und fast wäre Ihnen das gleiche zugestoßen.«
Ich nickte. Nun wußte sie, was ich dachte.
DREIZEHN
» Ich habe bei der School of Russian Studies gekündigt.«
Auf meiner Gabel balancierte ich ein Stück viel zu lange gekochtes Schweinefleisch. Ich schob es in den Mund und kaute. Als gute Köchin konnte man meine Mutter beim b e sten Willen nicht bezeichnen.
»Tatsächlich, mein Lieber?« fragte sie und hob die Augenbrauen.
»Gütiger Himmel! Wann hast du das denn gemacht?« polterte mein Vater los.
»Vor ungefähr einem Monat.«
In den meisten Familien hätte man jetzt gefragt: »Warum hast du uns das nicht schon früher erzählt?« Nicht so bei uns. Ich hatte längst aufgehört, irgend etwas Wichtiges mit meinen Eltern zu besprechen, und sie erwarteten es auch nicht mehr von mir.
Wir saßen in dem kleinen, quadratischen Eßzimmer des Feldsteinhauses, das meine Eltern in Norfolk gekauft hatten, nachdem
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