Der Marktmacher
das war, was diese Leute jetzt aus ihm machten.
D er Mann, der an der Bar lehnte und gerade sein zweites Pint an die Lippen setzte, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem Jungen, den ich in Oxford gekannt hatte. Er war schrecklich erwachsen geworden. Daß er Anzug und Aktenkoffer trug, spielte dabei keine wesentliche Rolle. Das taten Jamie und ich auch. Aber er hatte eine beginnende Glatze, die er unter sorgfältig gelegten blonden Haarsträhnen zu verbergen suchte, Frau und Kind und eine Art zu reden, die eher zu vierzig als zu Ende zwanzig paßte.
Stephen Troughton hatte mit uns Philosophie, Politik und Wirtschaft studiert. Schon immer hatte er ein bißchen frühreif gewirkt. Er wußte über Hypothekenzinsen, Immobilienpreise und Investmentfonds Bescheid, als wir a n deren noch nichts mit solch bürgerlichen Interessen am Hut hatten. Ohne Schwierigkeiten war er in der City a n genommen worden – er gehörte zu den wenigen Glücklichen, die sich Bloomfield Weiss 1988 direkt von den englischen Universitäten geholt hatte. Bei Bloomfield Weiss hatte er sich sofort in seinem Element gefühlt und rasch Karriere gemacht. Obwohl er nicht älter war als Jamie und ich, sah er aus wie mindestens fünfunddreißig und wußte das zu seinem Vorteil zu nutzen. Stephen Troughton hatte es weit gebracht.
Jamie traf sich ein oder zweimal im Jahr auf einen Drink mit ihm, um »auf dem laufenden zu bleiben«. Ich war mi t gegangen, obwohl ich Stephen seit dem Studium nicht mehr gesehen hatte. Wir waren in einem alten Pub in einer ehemaligen Stallung in Knightsbridge gelandet. Am Tage beherrschten hier bunte Touristenklamotten das Bild, abends Anzüge aus der City.
Nach und nach wurde mir klar, was »auf dem laufenden bleiben« hieß: Karrierevergleich! Interessiert beobachtete ich die beiden dabei.
»Hast du von unserer Brady-Spekulation letzte Woche gehört?« fragte Jamie, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.
Stephen lachte. »Ach, die Geschichte. Wir haben nur den großen Zeh ins Wasser gesteckt.«
»Dafür seid ihr aber ganz schön naß geworden.«
»Ein bißchen, aber das stecken wir weg. Schließlich sind wir die größte Investmentbank der Welt. Solche Verluste holen wir an einem Tag wieder rein.«
»Ach ja?«
»Aber gewiß doch«, sagte Stephen. Er senkte die Stimme, als käme jetzt etwas ganz besonders Wichtiges. »Ihr solltet auf euch aufpassen, Jamie. Bloomfield Weiss macht jetzt Ernst mit den Emerging Markets. Und wenn wir mit einem Markt Ernst machen, dann haben wir dort auch Erfolg. Versteh mich bitte nicht falsch, Dekker Ward ist eine intelligente kleine Firma, aber wenn ein Markt reif dafür ist, dann setzen sich immer die Großen durch.«
Das Ganze brachte Stephen in einem Ton falscher Vernünftigkeit vor, der dazu bestimmt war, Jamie auf die Pa l m e z u bringen. Und die Taktik ging auf. »Und was ist mit dem riesigen mexikanischen Mandat, das ihr verloren habt?« rieb ihm Jamie erbost unter die Nase. »Hat euch auch nicht weh getan, was?«
»Solche Deals ziehen wir doch jeden Tag für den World Development Fund und ähnliche Institutionen durch. Bald machen wir sie auch für Mexiko.«
Jamie schnaubte verächtlich.
»Was ist eigentlich mit dem Trader, den ihr gefeuert habt?« fragte Stephen. »Dave Dunne, nicht wahr? Er muß euch um ein hübsches Sümmchen gebracht haben.«
Jamie zuckte die Achseln.
»Er wollte bei Bloomfield Weiss anfangen«, fuhr Stephen fort. »Das kam natürlich nicht in Frage. Wir können es uns einfach nicht erlauben, den Ausschuß von Dekker Ward einzustellen.«
»Er war ein guter Trader«, sagte ich. Das war mein erster Gesprächsbeitrag. Jamie warf mir einen warnenden Blick zu.
Stephen überging meine Bemerkung, als sei angesichts meiner mangelnden Erfahrung kein vernünftiges Wort von mir zu erwarten, was natürlich stimmte. Aber damit hatte ich die Aufmerksamkeit auf mich gezogen.
»Dich hätte ich nie in der City erwartet«, sagte er. »Wie kommt das?«
»Ich brauche Geld.«
»Ein vernünftiger Grund. Und ich nehme an, Dekker Ward ist an deinen Rußlandkenntnissen interessiert?«
»Richtig. Obwohl Ricardo möchte, daß ich zunächst Erfahrungen in Lateinamerika sammle.«
»Rußland ist zur Zeit unser am stärksten wachsendes Geschäftsfeld. Ihr wißt ja, daß wir uns euer Rußlandteam geholt haben.« Stephen warf Jamie einen raschen Blick zu. Touché! »Da ist übrigens eine Sache, die mich interessiert«, fuhr er fort. »Zwei von ihnen haben plötzlich Probleme mit
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