Der Marktmacher
ie Firma vor allem auf Lateinamerika. Aber sie denkt daran, ihre Aktivitäten nach Rußland auszudehnen. De s halb haben sie mich geholt.«
»Verstehe. Sehr schön.«
Und weiter redete mein Vater, über die Geschäfte, die er abgeschlossen hatte, und die Leute, die er kannte. Zwischendurch gab er ein paar Aphorismen zum besten, wie »Kauf nie im April, denn der weiß nicht, was er will« oder »Trau nie einem Mann, dessen Schlips heller als sein Hemd ist.« Ich ließ den Blick über den Eßtisch wandern, wo die Spuren meiner Hausaufgaben noch immer zu erkennen waren. »Oktober 197 und = 5x3« fielen besonders deutlich ins Auge.
Nach dem Kaffee fragte ich meine Mutter, ob ich ihre neuesten Bilder sehen dürfte. Sie lächelte und führte mich in ihr Atelier. Meinen Vater ließen wir mit dem Abwasch in der Küche zurück.
Das Atelier war ein riesiger Raum, der die Hälfte der Grundfläche des Hauses einnahm. Durch große Fenster erhielt es viel natürliches Licht. Aber wer dort eintrat, setzte sich wahren Gefühlsstürmen aus.
Fünf Jahre zuvor hatten ihre Bilder offene Landschaften an der Küste von Norfolk gezeigt, in impressionistischer Manier. Seither waren sie immer dunkler und wilder geworden: Wolkenwirbel hüllten einsame Figuren an endlosen Stränden ein. Einzeln wirkten sie schon höchst beunruhigend, doch wenn man sich der geballten Wirkung von Dutzenden der Bilder aussetzte, verstörten sie den B e trachter nachhaltig. Ein einziges Mal hatte ich Ähnliches empfunden: als ich vor einigen Jahren die Edvard-Munch-Ausstellung in der National Gallery besucht hatte.
Die Bilder meiner Mutter bekümmerten mich. Vermutlich waren sie hervorragend, aber sie hatten ihr ganzes L e ben in sich aufgesogen.
»Hast du es noch mal bei den Galerien versucht, Mum? « f ragte ich.
»Ich habe dir doch gesagt, mein Lieber, keiner der Galeristen hier in der Gegend faßt sie auch nur mit spitzen Fi n gern an.«
»Was ist mit London?«
»Mach dich doch nicht lächerlich! Dort ist man doch nicht an meinen Bildern interessiert.«
Ich war mir da nicht ganz so sicher. Vielmehr vermutete ich, daß ein paar Galeristen von ihren Arbeiten wirklich begeistert sein würden. Aber sie malte für sich selbst, nicht für andere.
Wir betrachteten ein besonders bedrückendes Bild: Der schwärzliche Rumpf eines Wracks versank langsam vor den Sandbänken vor Brancaster.
»Es tut mir leid, daß du die russische Literatur aufgibst, Nick«, sagte sie.
»Das tue ich gar nicht. Ich werde auch weiterhin lesen. Und sobald ich genügend Geld verdient habe, kehre ich auf die eine oder andere Art wieder zu ihr zurück.«
»Na gut, aber eines mußt du mir versprechen.«
»Und das wäre?«
»Heirate niemanden aus dem Bankgeschäft.«
Ich vermochte nicht zu antworten. Die Trauer in ihrer Stimme schnürte mir die Kehle zu. Sie hatte ein kräftiges, intelligentes Gesicht und dichtes Haar, das gerade die erste Graufärbung anzunehmen begann. Noch immer sah sie attraktiv aus. Und nach dem Hochzeitsfoto zu urteilen, das, solange ich denken konnte, im Wohnzimmer hing, muß sie früher einfach hinreißend gewesen sein. Vermutlich waren sie ineinander verliebt, als sie heirateten, obwohl ich mich aus der Kindheit nur an versteckte Bosheiten erinnern konnte. Später hatten sich diese zu offenen Krächen au s gewachsen, und seit ich das Haus verlassen hatte, war alles in Schweigen erstarrt.
Mein Vater fuhr mich zum Bahnhof von King ’ s Lynn. Als ich mich am Eingang des Stationsgebäudes anschickte, aus dem Auto zu steigen, sagte er: »Oh, Nick?«
»Ja?«
»Wenn du irgendwelche Tips hast, vergiß deinen alten Herrn nicht, okay?«
Er zwinkerte mir zu.
Ich brachte ein mühsames Lächeln zustande und ließ die Tür ins Schloß fallen. Ungeheure Erleichterung durchflut e te mich, als sich der Zug endlich in Bewegung setzte.
Als die Feuchtgebiete an den schmutzigen Zugfenstern vorbeiwischten, stellte ich mir die City vor, wie mein Vater sie sah. Essen, trinken, alten Freunden helfen, die angenehmen Seiten des Lebens genießen. Das hatte herzlich wenig zu tun mit der reibungslos arbeitenden Dekker-Ward-Maschine hoch oben in ihrem glitzernden Turm, von dem aus sie die Dollarmillionen um den Erdball jagte. Trotzdem gab es ein paar Gemeinsamkeiten. In beiden Welten war das Geschäft alles. Man half seinen Freunden und legte die Gegner rein, um den besten Deal zu machen. Und dabei kam man sich ungeheuer schlau vor.
Ein eisiger Schauer jagte über das
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