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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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nur einen Anflug von Grau zeigte, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und hatte eine Zig a rett e m it weißem Filter im Mundwinkel hängen. Trotz seines Äußeren gab es eine Reihe von Geschäftsleuten, Politikern und Angehörigen des Internationalen Währung s fonds, die auf ihn schworen. Er vertrat steuer- und währungspolitisch vernünftige Wirtschaftsprinzipien. Trotzdem beschimpfte er, sofern die Arbeitslosenrate nicht gerade die Zwanzigprozentmarke passiert hatte, die Politiker nicht als einen Haufen Memmen. Er gehörte zu den Professoren, die sich auch privat um ihre Studenten kümmerten. Mir war diese Gunst ebenso zuteil geworden wie vor mir den amtierenden F i nanzministern von Polen und der Slowakischen Republik.
    Ich mochte ihn. Obwohl er älter war als ich und ich ihn nicht sehr häufig sah, zählte ich ihn zu meinen Freunden.
    »Wie geht es der entzückenden Joanna?« fragte er.
    »Sie weilt in Amerika mit dem abscheulichen Wes.«
    »Sehr schön. Ich konnte sie nie ausstehen, und wer immer er ist, ich bin sicher, er verdient sie. Ich habe ein Rat a touille gekocht; ich hoffe, du bist damit zufrieden?«
    »Klar«, sagte ich.
    »Gut, dann laß uns zur Tat schreiten und diese Flasche öffnen.«
    Wir machten uns über den Wodka her. Wojtek erzählte von seiner neuesten Freundin, einer dreiundzwanzigjährigen amerikanischen Studentin. Wojtek mochte Frauen, bis sie ungefähr fünfundzwanzig waren, dann verlor er jegliches Interesse an ihnen. Ein paar von ihnen hatte er geheiratet, es dann aber doch lieber wieder sein lassen, da den Ehen bestenfalls einige Jahre beschieden war und sie zudem stets in einem bürokratischen Alptraum zu enden pflegten.
    Das Essen gab es in seiner großen Küche. Das Ratatoui l le war ausgezeichnet, der Wodka nicht minder, und in knapp einer Stunde waren wir ziemlich betrunken.
    Wie nicht anders zu erwarten, wurde ich wegen meines Entschlusses, in die City zu gehen, niedergemacht, und dann fragte er mich, was ich wollte.
    Ich räusperte mich, versuchte, meine Gedanken zu ordnen, und raffte mich schließlich zu einer Antwort auf: » Dekker Ward hat mich genommen, weil ich mich mit der russischen Sprache und in den Wirtschaftswissenschaften auskenne. Nun soll ich plötzlich auch über Polen Bescheid wissen, aber die Situation dort habe ich schon seit Jahren nicht mehr mitverfolgt. Ich hatte gehofft, daß du meine Kenntnisse vielleicht ein bißchen auffrischen könntest, damit ich nicht gänzlich wie ein Idiot dastehe.«
    »Unter uns, Nick, die Aussichten, daß du in diesem Fall wie ein Idiot dastehst, sind ziemlich gering. Aber ich will dir gern ein wenig auf die Sprünge helfen.«
    Dann begann er, mir die Geschichte der polnischen Wirtschaft seit den Tagen der Solidarnosc knapp und präzise darzulegen. Ich konnte ihm gut folgen, es hörte sich alles klar und einleuchtend an. Ich hoffte nur, daß ich mich am Morgen noch daran erinnern konnte.
    »Und wie sieht es mit einer Abwertung aus? Ist der Zloty im Moment nicht zu hoch bewertet?«
    »Das kannst du laut sagen!« Wojtek wurde in seiner Erregung nun selbst laut. Es hielt ihn nicht mehr auf seinem Stuhl. »Immer und immer wieder predige ich es ihnen. Wertet jetzt ab, bevor die Wirtschaft endgültig den Bach runtergeht. Es ist besser, man behält das Heft in der Hand und entscheidet für alle erkennbar selbst über den Zeitpunkt der Abwertung, als daß man durch eine internati o nale Krise dazu gezwungen wird.«
    »Du glaubst also, Polen wertet ab.«
    Wojtek, der erregt hin und her gegangen war, hielt inne, blickte mich an, lächelte und sagte: »Das weiß ich nicht.« Dabei trug er die naive Unschuld so dick auf, daß ich ihm nicht für einen Augenblick glaubte. Er wußte genau, was die Polen vorhatten, und er war offenkundig sehr einve r standen mit deren Plänen.
    Als die Wodkaflasche immer leerer und leerer wurde und wir immer betrunkener und betrunkener, hielt ich es für das beste, das Weite zu suchen.
    »Aber es ist doch erst zehn Uhr!« protestierte Wojtek.
    »Ich weiß. Aber ich muß morgen um sieben Uhr früh wieder auf der Matte stehen, und mit dem Wodka, den ich intus habe, dürfte das ziemlich schwierig werden.«
    »Na gut. Hat mich sehr gefreut, dich mal wiederzusehen, Nick.« Er umarmte mich, und ich ließ ihn mit dem Rest in der Flasche allein zurück.
    A m nächsten Morgen erwies sich die Fahrradfahrt als ein hartes Stück Arbeit. Der Kopf tat höllisch weh, und der Mund war trocken und pelzig. An einem kleinen

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