Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
Laden hielt ich an und kaufte mir einen halben Liter Milch, den ich eher einsog als trank. Gott sei Dank ging es eine Strecke des Weges bergab.
    Ricardo lachte, als er mich erblickte. »Ich sehe, daß Sie gestern abend in Erfüllung Ihrer Pflicht zu Boden gega n gen sind.«
    »Sieht man es so deutlich?«
    »Das kann man wohl sagen. Hat es was gebracht?«
    »Ich gehe davon aus, daß die Polen abwerten.« Ich berichtete ihm von meiner Unterhaltung mit Wojtek und se i ner kaum verhohlenen Freude darüber, daß die Polen se i nen Vorschlägen folgen wollten.
    »Und Sie sind sicher, daß der Bursche wirklich über so viel Einfluß verfügt, wie er vorgibt zu haben?« fragte Ricardo.
    »Ja.«
    »Na, wunderbar!« Lächelnd klopfte er mir auf die Schulter . » Dann wollen wir mal unsere polnische Position glat t stellen.«
    Er ging an seinen Schreibtisch zurück und nahm den Hörer ab.
    »Nicht schlecht«, sagte Jamie. »Ich bin beeindruckt. Erzähl mir nicht, daß du auch mit Boris Jelzins Leibarzt Ru g by spielst.«
    »Leider nicht«, sagte ich. »Ich fürchte, Wojtek ist so ziemlich alles, was ich an einflußreichen Beziehungen vo r zuweisen habe.«
    »Trotzdem, du bist ein unentbehrlicher Mitarbeiter. Übrigens …«
    »Ja?«
    »Du siehst aus wie ein Stück Scheiße.«
    »Nicht du auch noch.«
    Ich war äußerst zufrieden mit mir. Es war ein angenehmes Gefühl, für Dekker Ward von Nutzen zu sein. Vie l leicht würde Ricardo durch mich ein bißchen Geld verdienen können. Wenn ja, dann würde er sich sicherlich auch an meinen Beitrag erinnern. So etwas vergaß Ricardo nicht. Das war ein schöner Zug von ihm.
    Das Telefon läutete.
    »Nick? Wojtek hier.«
    Seine Summe klang entsetzlich verkatert. Er hatte sicherlich wesentlich mehr getrunken als ich.
    »Wie geht es dir?«
    »Prima.« Ich lächelte. Lügner! »Weißt du noch, Nick. Gestern, als wir über Polen gesprochen haben? Und über die Abwertung?«
    »Ja. Vielen Dank, Wojtek. Es war sehr hilfreich.«
    »Sehr schön. Ich helfe dir gern, Nick. Aber als du mich gefragt hast, ob die polnische Regierung abwerten würde, habe ich dir doch nicht geantwortet, oder?«
    Oh, Gott. »Nein«, sagte ich möglichst unbefangen. »Nein, du hast gar nichts gesagt.«
    »Gut. Denn wenn die Finanzmärkte durch mich von der Abwertung erführen, wäre das ein echter Vertrauensbruch meinerseits.«
    »Natürlich, ich verstehe.« Mein Herz dröhnte. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoß.
    »Kannst du mir dein Wort darauf geben, daß du niemandem von dem erzählst … was wir letzte Nacht bespr o chen haben?«
    Scheiße! Scheiße! Scheiße!
    »Nick?«
    Was tun? Lügen natürlich.
    »Nein. Keine Sorge, Wojtek. Ich sage nichts. Du hast mir einfach nützliche Hintergrundinformationen gegeben. Das ist alles.«
    Ich glaube, meine Stimme verriet nichts von dem Sturm in mir. Nur gut, daß er mein Gesicht nicht sehen konnte.
    »Gut.« Er klang erleichtert. »War sehr nett, dich mal wiederzusehen. Laß von dir hören, okay?«
    »Okay, Wojtek. Bis bald.«
    Ich knallte den Hörer auf die Gabel und atmete tief durch. Als ich aufblickte, sah ich Ricardo auf mich zukommen.
    »Gut gemacht, Nick«, sagte er. »Wir sind jetzt gewappnet. Ich hoffe nur, daß Sie recht haben.«
    »Ich habe recht«, sagte ich, fand aber, daß ich unrecht gehandelt hatte.
    »Ach ja, wir führen heute ein paar Kunden aus. Sehr wichtige Kunden. Haben Sie Lust mitzukommen?«
    Himmel! Noch mehr Alkohol. Mit irgendwelchen Leuten schönzutun, war das letzte, wonach mir der Sinn stand. Ich wußte nicht recht. Ich wäre gern früh ins Bett gega n gen. Sehr früh.
    Aber es war klar, daß diese Aufforderung einer Auszeichnung gleichkam. Daher rang ich mir ein Lächeln ab und sagte: »Großartig.«
    Ich holte mir eine Tasse Kaffee vom Automaten und nahm mir die Zeitung. Auf meinem Schreibtisch, weitab von Dekker Wards quadratischem Nervenzentrum, breitete ich sie aus. Ich hatte mir ein bißchen Ruhe und Frieden verdient. Doch der Kaffee brachte nicht die erhoffte Wirkung. Kopfschmerz und Magenverstimmung erwi e sen sich als hartnäckige Widersacher. Mir war heiß. Ich schwitzte. Bei Slawisten gehörte Wodka zum Berufsrisiko. Mir schwante, daß es bei Dekker Ward möglicherweise nicht anders sein würde, sobald ich ernsthaft mit Osteuropa b e faßt war.
    Ich blickte zu Isabel hinüber. Sie las in einem Stapel Papiere, wobei ihr Haar herabhing und den größten Teil ihres Gesichts verdeckte. Himmel, war sie hübsch! Seit dem Bier am

Weitere Kostenlose Bücher