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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Freitag abend hatten wir ein paar freundliche Worte gewechselt, mehr nicht. Ich nahm an, sie wollte verhi n dern, daß sich etwas anbahnte zwischen uns. Jammersch a de!
    Mir fielen Jamies warnende Worte ein. Er täuschte sich bestimmt. Ich war mir sicher, daß ich ihr vertrauen konnte. Allerdings hatte ich nicht die Absicht, ihrem Rat zu folgen und Ricardo von meinem Verdacht zu erzählen. Die Vo r sicht riet mir, gar nichts zu tun, obwohl ich auch das nicht richtig fand. Mein Kopf tat mir weh. Ich kam zu keinem Entschluß.
    »Was ist, Nick?«
    »Bitte?«
    »Sie träumen.«
    Ich stellte meine Augen wieder auf einen Punkt in meiner Umgebung ein. Isabel betrachtete mich mit amüsie r tem Lächeln.
    Ich spürte, wie ich rot wurde. »Oh, tut mir leid. Meine Auge-Hirn-Koordination funktioniert heute morgen nicht besonders gut. Gestern abend hatte ich einen ziemlich promillehaltigen Einsatz für Dekker Ward.«
    »So viel Loyalität ist ja geradezu ergreifend«, erwiderte Isabel.
    Verlegen richtete ich die Augen wieder auf die Zeitung vor mir. Ich blätterte das Feuilleton durch und mußte zugeben, daß die Filmkritiken der Financial Times nicht schlecht waren. Es gab einen neuen Film von Krzysztof Kieslowski. Hörte sich interessant an. Ich beschloß, ins K i no zu gehen, sofern ich die Zeit dazu fand.
    Oh, verdammt! Es paßte mir gar nicht, daß ich Wojtek hatte anlügen müssen. Ich hatte sein Vertrauen mißbraucht. Natürlich war es auch seine Schuld. In erster Linie seine Schuld. Ich hatte ihm vorher gesagt, bei wem ich arbeitete und was ich wissen wollte. Er war blödsinnig vertrauensselig gewesen. Und er wußte es: daher sein panischer A n ruf. Es war seine Schuld. Seine Schuld, daß ich sein Ve r trauen mißbraucht hatte.
    Nein, die Rechtfertigungsstrategie klappte nicht. Wojtek würde mir ernsthaft böse sein, wenn er jemals herausfand, was ich getan hatte. Ich konnte nur hoffen, daß das nie der Fall sein würde.
    Ich hörte wieder Stephens Worte, in seiner ganzen Gespreiztheit. »Ganz ehrlich, man kann in diesem Geschäft kaum zu weit gehen – solange man sich nicht erwischen läßt.«
    Grauenhaft!
    N ach zwei Glas Wein begann sich der Nebel in meinem Gehirn langsam zu lichten; zumindest ließen die Schmerzen nach. Wir saßen im Vong ’ s, einem New Yorker Nobelrestaurant, das sich in Knightsbridge angesiedelt hatte. Wir waren zu siebt, die Kunden zu fünft. Ricardo war dabei, außerdem Eduardo, Jamie, Miguel und zwei andere. Unsere Gäste waren Repräsentanten einer Zentralbank. Dieser Ausflug nach London war so etwas wie ein alljährliches Ritual, eine Art Dankesbezeugung von Dekker Ward für G e schäfte, die man in der Vergangenheit getätigt hatte und in Zukunft noch tätigen würde.
    Ich mußte zugeben, daß unsere Gäste für Beamte sehr amüsant waren. Das Essen war ausgezeichnet, der Alkoholpegel stieg und mit ihm die allgemeine Ausgelasse n heit.
    Ich saß neben Eduardo, der wenig sprach. Nur gegen Ende des Essens beugte er sich zu mir herüber. »Heute abend werden Sie lernen, wie Geschäfte gemacht werden«, sagte er mit einem Blitzen in seinen dunklen Augen.
    »Ach ja?«
    »Ja. Es ist wichtig, daß man den Kunden das zukommen läßt, was sie haben möchten. Und das ist nicht immer nur der beste Preis und der beste Abschluß. Das erledigt Ricardo. Jemand muß sich auch um die zwischenmenschl i chen Beziehungen kümmern. Das ist meine Spezialität. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Verschwörerisch sah er mich an, ein Lächeln auf den fleischigen Lippen.
    »Eigentlich nicht«, sagte ich.
    »Sie müssen wissen, was für Vorlieben Ihre Kunden haben. Zufällig weiß ich, daß in dieser Gruppe alle eine Schwäche für schöne Frauen haben. Das vereinfacht die Sache natürlich. Ausgenommen der Mann da am Ende des Tisches.« Er zeigte auf einen gutaussehenden Mann mit beginnender Glatze, der mit sichtlichem Interesse einer Geschichte von Jamie lauschte. »Mir ist zu Ohren gekommen, daß er Männern den Vorzug gibt. Seine Kollegen wi s sen nichts davon, auch Jamie nicht. Ich bin sicher, daß es ihm gefällt, neben dem hübschesten Burschen aus uns e rer Runde zu sitzen.«
    Ich mußte unwillkürlich lächeln. In der Tat wirkte Jamie auf Vertreter beiderlei Geschlechts anziehend, was ihm äußerst unangenehm war. Er wäre in die Luft gegangen, wenn er gewußt hätte, daß sich Eduardo diesen Umstand gerade zunutze machte.
    »Sie erzählen es ihm doch nicht?«
    »Eines Tages bestimmt«, sagte ich. »Ich werde

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