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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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und beachtete sie nicht weiter. Sie nippte an ihrem Champagner und versuchte Konversation in Höherer-Töchter-Manier mit mir zu treiben. Ich reagierte nicht. Ich war müde und wollte nach Hause. Keine dieser Frauen konnte mich Isabel ve r gessen machen. Und der käufliche Charakter der Veranstaltung stieß mich ab. Ich betrachtete die elegant gekleideten, wohlhabenden Männer um mich herum, alle verheiratet oder in sogenannten festen Händen, wie sie angeregt auf diese Frauen einredeten, die sie noch nie zuvor in i h rem Leben gesehen hatten. Zwei Paare – sie waren schon Paare – begannen langsam und eng zu tanzen. Es kotzte mich an.
    Ich stand auf, lächelte dem Rotschopf neben mir höflich zu, schnappte mir mein Jackett und eilte der Tür entgegen.
    »Nick!«
    Jamie riß sich von einer Blondine los und kam hinter mir her. Ich wartete.
    »Nick, wohin willst du?«
    »Nach Hause.«
    »Hör mal! Bleib doch! Das wird Eduardo nicht gefallen, wenn du jetzt gehst. Stell dich nicht so an! Du bist doch nicht mal verheiratet.«
    »Vielleicht mag ich gerade deshalb nicht bleiben«, sagte ich. »Und sag Eduardo, er kann mich mal!«
    Am nächsten Morgen schlief ich bis neun. Ich kochte Kaffee, verspeiste ein paar Toasts und las die Zeitung. Die polnische Abwertung stand auf Seite acht. Noch mehr Geld für Dekker Ward. Als ich zu Ende gefrühstückt hatte, verließ ich die Wohnung und schlenderte Primrose Hill hi n auf, mit seinen auffälligen schwarzen Laternenpfählen und den Narzissen, die nach Beendigung ihrer Blüte zu saub e ren Bündeln geschnürt waren. Für den Mai war es etwas zu kühl, und der Wind stach ein wenig auf der Haut. Ich empfand es als angenehm und erfrischend.
    Unmittelbar unter der Hügelkuppe setzte ich mich auf eine Bank und blickte auf London hinab. Unter mir befand sich der ungewöhnliche Polyeder, der dem Londoner Zoo als Vogelhaus dient, dahinter St. Paul und die Wolkenkra t zer der City. Noch weiter entfernt, kaum zu erkennen durch das frische Laub der Bäume, lag Canary Wharf.
    Da wirbelten nun die Dekker-Ward-Leute ganz besonders hektisch, alle um den Nachweis bemüht, daß die vergangene Nacht ihre Arbeitskraft nicht beeinträchtigt hatte. Sie würden vielsagende Blick austauschen, ihren Kunden vorlügen, was Mexiko doch für ein wunderbares Land sei, die Aufträge notieren und die Profite einstreichen.
    Ich ließ die letzten Wochen Revue passieren. Den Favela - D eal, die Geldwäsche, Daves Entlassung, meinen Vertrauensbruch gegenüber Wojtek, das erbärmliche Geschehen der letzten Nacht. Jeden einzelnen dieser Vorfälle hätte ich verkraften können, aber zusammen machten sie mich elend.
    Ich war nicht der richtige Mann für diesen Job. Eine Zeitlang konnte ich mir das Gegenteil einreden, aber nicht sehr lange. Oder ich mußte mich verändern, wie sich J a mie verändert hatte. So verändern, daß ich leichten Herzens l ü gen konnte, ignorieren, was ignoriert werden mußte, tun, was getan werden mußte. Wenn mein Gewissen das nicht verkraften würde, dann mußte ich eben auch mein Gewi s sen verändern.
    Oder kündigen.
    War das Feigheit vor dem Feind? Konnte ich die wirkliche Welt nicht ertragen? Die Geschäftswelt?
    Das glaubte ich nicht, ehrlich nicht. Gewiß, der Angriff am Strand von Ipanema hatte mich erschreckt. Aber ich war mir sicher, daß das keinerlei Einfluß auf mein Urteilsvermögen hatte. Ich mußte mich mit den Tatsachen abfinden und einsehen, daß es ein Fehler gewesen war, bei De k ker Ward anzufangen. Es war ein totaler Mißerfolg. Zwar gebe ich Fehler nur höchst ungern zu, mein Stolz wehrt sich dagegen, aber in diesem Fall blieb mir schlicht und e r greifend keine andere Wahl.
    Ricardo würde sagen, ein guter Trader weiß, wann er seine Verluste realisieren muß. Der Zeitpunkt war gekommen.
    U m elf saß ich endlich an meinem Schreibtisch. Ich nickte Isabel zu.
    »Na, einen schönen Abend gehabt gestern?« fragte sie kühl.
    »Wohl kaum. Ich fand das Ganze ziemlich unerfreulich und habe mich schon früh verabschiedet.«
    »Oh, ich verstehe«, sagte sie und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie glaubte mir natürlich nicht. Ich erzählte ihr genau das, was an diesem Morgen wahrscheinlich alle von sich gegeben hatten. Das machte mich wütend.
    Ich dachte kurz daran, ihr zu berichten, was ich vorhatte, entschied mich dann aber dagegen. Wahrscheinlich würde sie mir sagen, daß ich töricht sei, daß ich mich mit den Tatsachen abfinden müsse. Und sie würde mir gute

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