Der Marktmacher
Gründe dafür nennen. Doch ich hatte meinen Entschluß gefaßt und wollte ihn mir nicht zerreden lassen.
Jamie kam eilig herüber. Er schien ungehalten zu sein.
»Hast du eine Ahnung, wie spät es ist, Nick? Wir sind alle seit sieben da. Du mußt zeigen, daß du eine anstrengende Nacht wegstecken kannst.«
»Nein«, sagte ich, »muß ich nicht.«
Jamie blickte mich an, als wäre ich ein bockiges Kind . » Übrigens, was gestern abend angeht«, sagte er so leise, daß niemand anders es hören konnte. »Du weißt, ich nehme sonst keine Drogen. Nur, wenn es sein muß.«
»Ich weiß«, sagte ich grimmig.
»Und diese Mädchen. Ich habe keine angerührt. Mich nur ein bißchen unterhalten. Du weißt schon.«
»Klar.«
»Du erzählst Kate doch nichts davon, oder? Wirklich, du hättest bleiben sollen.«
Jetzt verstand ich auch, warum Jamie mich so ungern hatte gehen sehen. Er hätte mich gern als Komplizen gehabt. Dann hätte er sich besser gefühlt.
Ich seufzte. »Ich erzähle Kate schon nichts«, sagte ich. Würde ich auch nicht. So sauer ich im Augenblick auch war, in die Pfanne hauen würde ich ihn deshalb noch lange nicht.
Jamie schien erleichtert. »Gut. Wir sehen uns später.«
Als er ging, kam Ricardo herüber. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
»War ein bißchen spät heute morgen, nicht wahr?«
»Tut mir leid«, sagte ich.
»Ganz egal, was am Abend vorher war, Sie müssen um sieben Uhr antreten. Das ist hier so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz. Eine Frage der Ehre.«
»Es waren zwei Abende«, sagte ich.
»Ach ja, Ihren polnischen Freund hatte ich ganz vergessen. Es hat mich übrigens sehr gefreut, daß die Abwertung so rasch erfolgte. Gute Arbeit. Fakt ist jedoch, daß Sie manchmal sieben derartige Abende hintereinander haben werden, vor allem auf Reisen.«
Es war eine milde Abmahnung. Eine Vorwarnung. Aber das hatte keine Bedeutung mehr für mich.
Ich mußte es ihm jetzt sagen. Solange ich noch fest dazu entschlossen war. Bevor ich Gelegenheit hatte, lange darüber zu grübeln. Merkwürdig, als Ricardo so vor mir saß, kam mir die Entscheidung plötzlich viel persönlicher vor. Als hätte ich die Absicht, ihn im Stich zu lassen.
Genug! Ich mußte es ihm auf der Stelle sagen.
Doch er hatte schon wieder das Wort ergriffen. »Es ist an der Zeit, daß Sie richtige Arbeit bekommen. Isabel fliegt nach Brasilien, und ich möchte, daß Sie sie begleiten.«
Ich hielt den Mund und hörte zu.
»Die Stadt São Paulo ist sehr an einem eigenen Favela - D eal interessiert. Und es ist eine gute Gelegenheit, unsere Freunde in Brasilien von den Vorzügen Mexikos zu übe r zeugen. Sie haben Jamie eine ganze Woche lang über das Geschäft reden hören, also haben Sie dafür ja den entspr e chenden Schwung.«
Nach Brasilien. Mit Isabel! Das hörte sich nicht schlecht an. Vielleicht konnte die Kündigung ja noch warten, bis ich zurück war.
»Das heißt, falls Sie damit einverstanden sind«, sagte Ricardo. »Nach dem, was Ihnen das letzte Mal zugestoßen ist, hätte ich Verständnis dafür, wenn Sie es nur ungern tun würden.«
Der Gedanke machte mich ein bißchen nervös, gewiß. Aber wenn ich vorsichtig war, würde mir schon nichts passieren. Und obwohl ich kündigen wollte, hatte ich keine Lust, vor Ricardo, oder mir selbst, als Feigling dazust e hen.
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Wann fliegen wir?«
»Heute abend.«
»Heute abend?«
»Was ist? Sie haben doch ausgeschlafen heute morgen.«
Er lächelte und ging an seinen Schreibtisch zurück. Ich blickte zu Isabel hinüber, die zugehört hatte. »Ist es Ihnen recht?« fragte ich. Ich hatte den Eindruck, daß sie sich seit einer Woche von mir fernhielt. Und daß ich gestern abend mit von der Partie gewesen war, hatte sicherlich meinen Sympathiewert bei ihr nicht gerade steigen lassen.
Doch sie lächelte. »Natürlich. Das ist sehr vernünftig. Sie kennen die Einzelheiten des Rio-Deals. Und Ricardo hat völlig recht, Sie wissen viel mehr über Mexikos Wunder als ich.«
Die Ironie entging mir nicht. »Eine phantastische Anlagemöglichkeit«, sagte ich.
Sie raffte einen Stapel Papiere auf ihrem Schreibtisch zusammen und reichte ihn mir. »Hier, kopieren und lesen Sie das. Wir sehen uns um halb neun in Heathrow, Terminal drei. Der Flug geht um zehn. Die Tickets habe ich.«
»Okay«, sagte ich und trollte mich zum Kopierer.
Als ich später das Büro verließ, blieb ich an Jamies Schreibtisch stehen.
»Ich gehe. Ich fliege
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