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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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heute abend nach Brasilien.«
    »Ehrlich?« Er runzelte die Stirn. »Sei diesmal ein bißchen vorsichtiger.«
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Ich paß schon auf.«
    »Fliegst du wieder mit Isabel?«
    »Ja.«
    »Na, dann viel Spaß.« Er grinste.
    Ich wollte schon antworten »Aber sicher doch!«, hielt aber aus irgendeinem Grunde inne und begnügte mich mit : » Man wird sehen.«
    SECHZEHN
    D as Flugzeug setzte zum Anflug auf São Paulo an. Durch das Fenster blickte ich auf die zweitgrößte Metropole der Erde hinab. Zwanzig Millionen Menschen leben im Großraum São Paulo. So weit das Auge reichte, erstreckten sich niedrige Häuser mit roten Dächern. Dazwischen sch oss en Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Wolkenkratzern empor, wie weiße Triebe im Vorfrühling. Sie traten in Ha u fen auf, als wären einem unachtsamen Säer hier ein paar Körner heruntergefallen und dort ein paar. Am Horizont, zwischen dem Braunrot der Stadt und dem Blau des Hi m mels, verlief ein dicker, dunkelgrauer Smogstreifen. Als wir zur Landung ansetzten, erhielt das Bild durch das graue Band eines Flusses und einige Dutzend Industrieg e biete zusätzliche Konturen. Ganz niedrig flogen wir über einen See von außerordentlich kalkigem Grün. Rio wurde von einem Gott in einem Augenblick höchster Inspiration erschaffen, São Paulo von einem Menschen bar jeder Inspir a tion.
    São Paulo ist das Wirtschafts- und Finanzzentrum Brasiliens. Die Paulistas vergleichen ihre Stadt gerne mit New York, und tatsächlich vermittelte die Stadt mit ihren la n gen, von Wolkenkratzern gesäumten Boulevards einen ä u ßerst geschäftsmäßigen Eindruck. Männer in Anzügen ei l ten vorbei, während sich der Verkehr hektisch durch das riesige Netz von Schnellstraßen schob. Es galt, viel Geld zu machen und eine Menge Arbeit zu erledigen, und trotz dreißig Grad und hoher Luftfeuchtigkeit waren die Paul i stas gewillt, das zu tun.
    Wir suchten Humberto Alves ’ Amtsbruder in der Finanzbehörde von São Paulo auf. Die Paulistas hatten ein anderes Modell zur Sanierung der F avelas entworfen, das sogenannte Cingapura-Projekt. Es beruhte auf einer Idee, die angeblich in Singapur entwickelt worden war, daher der Name. Das Grundprinzip war die »Vertikalisierung«: Man riß die Behelfsbauten ab und ersetzte sie durch moderne Hochhäuser. Das Ganze machte auf mich einen w e sentlich seriöseren Eindruck als das Rio-Projekt.
    Sie brannten darauf weiterzukommen. Das Cingapura -P rojekt war seit einigen Jahren angelaufen, doch nun waren der Stadt die Mittel für weitere Bauten ausgegangen. Isabels clevere Trust-Idee kam da wie gerufen, eine geeignete Möglichkeit, um dem World Development Fund die Mittel zu entlocken, die man dringend brauchte, um die nächste Phase in Angriff nehmen zu können. Nachdem der Rio-Deal geplatzt war, wären São Paulos Anleihen die ersten auf dem Markt, was die ganze Idee noch reizvoller machte.
    Am Freitag und sogar am Samstag hatten wir Verabredungen mit Vertretern der Stadt. Das zeigte, wie sehr ihnen an dem Deal gelegen war. Im Laufe des Tages wuchs bei Isabel und mir die Spannung, als wir merkten, daß das G e schäft offenbar tatsächlich zustande kam. Von Bloomfield Weiss weit und breit keine Spur. Nach ihrem beschäme n den Rückzug aus dem Rio-Geschäft hätte São Paulo ein Angebot von ihrer Seite wohl kaum ernstgenommen.
    Es war ein anstrengender Tag, aber wir arbeiteten gut zusammen. Während der Nacht hatte ich mich durch den Stapel von Dokumenten gearbeitet, die Isabel mir im Flugzeug gegeben hatte. Ich war gut vorbereitet, und wir waren ein vorzügliches Team. Rasch hatte ich begriffen, wie sie vorging, und sie akzeptierte mich als vollwertigen Partner. Zwar fühlte ich mich Dekker Ward gegenüber nicht mehr im geringsten verpflichtet, doch Isabel wollte ich auf ke i nen Fall enttäuschen. Abgesehen davon hatte mic h i hre Begeisterung angesteckt, und ich glaubte an das, was sie tat.
    Um halb neun Uhr abends waren wir endlich fertig. Nachdem wir uns für den nächsten Morgen um neun verabredet hatten, ließen wir uns in die Sitze unseres Taxis fa l len, gleichermaßen erschöpft wie aufgedreht.
    »Wußten Sie, daß São Paulo die besten japanischen Restaurants außerhalb Japans hat?« fragte Isabel.
    »Nein, wußte ich nicht.«
    »Möchten Sie eines ausprobieren?«
    »Klar.«
    Sie beugte sich nach vorn zum Taxifahrer. »Liberdade.«
    In der Nähe eines lebhaften Straßenmarkts stiegen wir aus. Der Duft von Gewürzen und

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