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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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anblickt.
    „Timm? Nein. Der hatte doch mit den Schafen nichts zu tun. Musste die Schweine füttern. Er kam in die Küche, als ich mich von Anna und Abel verabschiedete.“ Margarethe Tenzer presst die Lippen zusammen, versucht die Tränen zurückzuhalten. „Bis morgen, hab ich noch gesagt. Ich wollte doch am nächsten Tag wiederkommen.“
    „Haben Sie mit Timm gesprochen?“ Wieder fällt Margarethe Tenzer auf, wie intensiv sich die Herren für Timm interessieren.
    „Er brachte mich noch bis zum Hoftor. Das wurde grundsätzlich um sieben verschlossen.“
    „Eine höchst angenehme Zeugin“, stellt Friedrich Rötger fest, als Margarethe Tenzer das Bureau verlassen hat. Und lächelt, nun völlig entspannt, seinem Kollegen zu. Versonnen schaut er durch das Fenster der attraktiven Frau hinterher. Und bemerkt mit der Überheblichkeit des Kleinstädters gegenüber Dörflern: „Und so was lebt in Beidenfleth.“
    16
    Mit gemischten Gefühlen betritt Timm das Justizamt. Die nahezu freundliche Atmosphäre während der gestrigen Vernehmung hat ihn überrascht. Hatte er sich doch das Verhör anders ausgemalt, mit Drohungen, Zurechtweisungen, Schlägen sogar. Trotzdem ist ihm unwohl. Denn ihm wurde hinterbracht, dass die Herren Räte Erkundigungen eingezogen haben bei Nachbarn, Verwandten, Bekannten. Längst wissen sie, dass er das Schwarze Schaf in der Familie war, als arbeitsscheu gilt, unzuverlässig und leichtsinnig in Gelddingen. Und überdeutlich wird ihm bewusst, wie rasch ihn ein unbedachtes Wort oder eine durchschaubare Lüge hinter Gitter bringen wird. Und aufs Schafott.
    Sie bieten ihm einen Kaffee an. Fragen, behaglich Zigarren schmauchend, nach seinen Jugendjahren, dem Verhältnis zu Eltern und Geschwistern, dem normalen Ablauf eines Arbeitstages auf dem Thode-Hof. Sein Misstrauen wächst, als der Dokder Röttger, scheinbar beiläufig, kleine Diebereien erwähnt, seinen Hang zum Kartenspiel, sein ambivalentes Verhalten gegenüber Frauenspersonen, aber auch sein grenzenloses Vertrauen zu Jakob Schwarzkopf.
    „Kommen wir auf den Unglückstag zurück“. Rötgers Ton wird förmlicher. „Sie gingen gegen zehn zu Bett. Schliefen allein, während sich die Anderen die Kammern teilen mussten.“
    „Äh, ja, wegen meinem Schnarchen. Und meiner …“
    Rötger winkt ab, will den Zeugen nicht wegen einer Peinlichkeit in Verlegenheit bringen. Und Timm ist beeindruckt, was alles der Herr Rat in kurzer Zeit herausgekriegt hat.
    Jacobsen schaltet sich ein: „Als Sie erwachten durch die Helligkeit des Feuers, die Kassette griffen und aus dem Fenster sprangen, und als Sie in den Männern vor der Scheune Ihren Vater und Ihre Brüder vermuteten … Haben Sie sich da nicht gefragt, warum man Sie nicht geweckt hat?“
    Timm erkennt die Fangfrage. Beginnt zu schwitzen. „Ich, ich weiß nicht. Der Schreck. Ich wollte nur raus.“
    „Und warum haben Sie nicht nach Ihren Angehörigen geguckt, bevor Sie türmten? Oder wenigstens gerufen?“
    Timms Augen weiten sich. Sein Mund zuckt. „Ich sah nur das Feuer. Hab’ an nix and’res gedacht.“
    Erbarmungslos fährt Jacobsen fort: „Und dann, als Sie erkannten, dass die dort an der Scheune nicht die Ihrigen waren? Und auch die Frauen nicht dabei? Da sind Sie nicht ins Haus zurück, das zu dem Zeitpunkt ja noch nicht brannte? Sondern fortgerannt!“
    „Aber“, stammelt Timm, „die haben doch geschossen.“ Nun beugt sich Rötger über den Tisch, starrt Timm ins schweißfeuchte Gesicht: „Kein Nachbar hat einen Schuss gehört.“
    Vergeblich versucht Timm das Zittern seiner Hände zu verbergen. „Ich, ich weiß nicht. Die schliefen doch alle. Es war starker Wind. Und es sind doch auch Bäume zwischen uns und den anderen. Ich weiß nix. Ich weiß wirklich nix.“
    Rötger seufzt, lehnt sich in den Sessel zurück, murmelt mit fast tonloser, müde wirkender Stimme: „In Ordnung. Sie können gehn.“
    Timm stemmt sich mit beiden Händen an der Tischkante hoch: „Muss ich noch mal wieder …?“
    Jacobsen wechselt einen kurzen Blick mit dem Kollegen, nickt: „Sicher. Sie kriegen Bescheid.“
    „Ganz schön in die Enge getrieben, den Jungen.“ Zufrieden reibt sich Jacobsen die Hände. Doch Rötger vermag den Optimismus des Kollegen nicht zu teilen. „Stimmt schon. Und was ist dabei herausgekommen? Nichts Konkretes. Ist doch durchaus nachvollziehbar, dass er in Panik geraten ist. Und seine ohnehin ungeliebten Leute im Stich ließ.“
    „Also weiter auf Hochtouren nach den

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