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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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weiter.
    Timms Augen weiten sich, doch er entgegnet mit entwaffnender Harmlosigkeit: „Aber doch keiner von uns.“ Und der Justizrat stellt fest, dass er Timms Gerissenheit unterschätzt hat.
    Er steht auf, geht rauchend auf und ab, bleibt vor Timm stehen: „Wir können uns nicht erklären, wie es den Fremden gelang, bei Nacht aufs Grundstück zu kommen. Und ebenfalls unbemerkt ins Haus. Um dort acht Menschen umzubringen.“ Scharf blickt er Timm in die Augen: „Das verstehn Sie doch. Oder?“
    „Ja“, nickt Timm ergeben. „Ja. Das versteh ich.“
    Es klopft. „Nur herein!“ ruft Rötger aufgeräumt. Jakob Schwarzkopf steckt vorsichtig den Kopf zur Tür herein, will sich, eine Entschuldigung murmelnd, zurückziehen. Doch der Justizrat winkt ihn heran: „Wir sind fertig. Für heute.“
    Timm reißt den Kopf hoch: „Für heute? Ich hab doch alles …“
    Jacobsen klopft ihm beruhigend auf den Unterarm. „Ein paarmal brauchen wir noch Ihre Mithilfe. Sie wollen doch auch, dass die Täter schnell gefasst werden.“
    „Natürlich“, Timm nickt heftig: „Ja. Natürlich.“
    Hastig erhebt er sich, versucht das leichte Zittern seiner Knie zu verbergen. Verlässt mit seinem neuen Vormund den ihm unheimlichen Raum. „Bis morgen. Dieselbe Zeit!“ ruft Rötger ihnen nach. Und lässt sich seufzend in einen Besuchersessel fallen.
    „Ein härterer Brocken als erwartet“, stellt Jacobsen stirnrunzelnd fest. Rötger nickt: „Entweder ein harmloser Trottel oder der raffinierteste Bursche, der mir je begegnet ist.“
    „Hätten wir ihn härter rannehmen sollen?“ Hans Peter Jacobsen sieht den Kollegen nicht an, stellt sich selbst die Frage. Doch Friedrich Rötger, der am Fenster steht und sinnend der einspännigen Kutsche von Jakob Schwarzkopf nachschaut, dreht sich um: „Auf keinen Fall. Sie haben gesehen, er ist irgendwie verstockt. Falls er in die Sache verwickelt ist, müssen wir es peu à peu aus ihm herausholen. Mit viel Geduld.“
    Erstaunt blickt Jacobsen auf. „Sie denken an Mittäterschaft? Anstiftung? Gemeinsame Sache mit den Mördern?“
    „Ich weiß, es passt hinten und vorne nicht.“ Wieder geht Rötger auf und ab, als wolle er den Raum ausmessen. „Aber, wie sollte es gelaufen sein? Bauernsohn verdingt Mörderbande. Verdrückt sich mit der Kasse. Und die Mordbuben gucken in den Mond?“ Abrupt bleibt er vor dem Schreibtisch stehen. Klopft mit dem Zeigefinger auf die Akte. „Kein einziger Hinweis darauf, dass seine Geschichte nicht stimmt. So abenteuerlich sie klingen mag.“
    Jacobsen starrt auf den Berg von Protokollen, Notizen und Amtsvermerken. „Also, die Fahndung ausweiten und intensivieren. Mit allen Mitteln. Das wird Trubel geben.“
    „Der hat längst begonnen“, erwidert Rötger. „Der Schock sitzt tief. Überall im Land.“ Er zeigt auf einen großen Korb nahe dem Schreibtisch: „Die Post von heute. Hundertzehn Eingänge. Wertlose Hinweise. Gut gemeinte Ratschläge. Ein Hellseher ist dabei. Ein Wünschelrutengänger. Und das Denunziantentum feiert fröhliche Urständ.“
    Er schaut zur Uhr. „Eine wichtige Zeugin ist zu um zwei geladen. Eine Schneiderin. War am Tattag bis abends sieben Uhr auf dem Hof.“
    Margarethe Tenzer ist eine schlanke junge Frau mit lebhaften Augen. Doch hier, in der ungewohnt würdevollen Umgebung, wirkt sie unsicher, ängstlich beinahe. Auch zeigt die Blässe in ihrem sonst so fröhlichen Gesicht, wie tief das Unheil, das über die Thodes hereingebrochen ist, sie entsetzt und verstört hat. Zögerlich zuerst, dann aber, durch die behutsame Befragung sicherer werdend, berichtet sie. Bis gegen sieben Uhr habe sie, wie so oft, im Hause Thode Näharbeiten erledigt. Hosen und Jacken geflickt, an Oberhemden Kragen und Manschetten erneuert – was alles so anfällt in einem Neun-Personen-Haushalt. Anna bot ihr an, am Abendessen teilzunehmen. Doch sie lehnte ab, weil sie ein Treffen mit einer Nachbarin verabredet hatte.
    „Zu dem Zeitpunkt waren sie mit Anna allein im Haus?“, fragt Rötger.
    Die junge Frau schüttelt den Kopf. „Abel war dabei, bereitete das Abendbrot vor. Die alten Thodes und Johann waren auswärts, beim Bauern Starck.“
    „Und die Jungen? Niemand von denen im Haus?“
    „Ich hab Anna gefragt: Wo bleiben die hungrigen Mäuler? Sie waren bei den Schafen. Wie fast jeden Tag nach der Arbeit auf dem Hof. Und Reimer haben sie mitgenommen.“
    „Timm auch?“ Jacobsens Frage kommt so heftig, dass die Näherin ihn überrascht

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