Der Maskenball
die Polizei gerufen hättest, hätte ich dir die Wahrheit sagen müssen", sagte sie beinah vorwurfsvoll. "Aber als ich gehört habe, dass du die Frau verdächtigst, mit der du den Ball verlassen hattest..." Sie warf Darcy einen verlegenen Blick zu. "Ich meine ..."
"Schon gut", unterbrach Darcy sie, doch das Blut war ihr ins Gesicht geschossen.
"Wissen Sie ..." Ilaria zögerte. "Sie existierten für mich praktisch nicht, und mir war es egal, wen Luca verdächtigte, solange ich es nicht war."
Darcy betrachtete angelegentlich den exquisiten Aubusson.
Sie schämte sich zutiefst, denn sie konnte sich gut vorstellen, was für eine niedrige Meinung Ilaria damals von ihr gehabt haben musste.
Luca lachte humorlos. "Was für ein Glück für dich, dass Darcy sich in Luft aufgelöst hat!"
Am liebsten hätte sie sich wieder in Luft aufgelöst. Sie stand auf und ging zur Tür. "Es ist wohl besser, ihr redet allein weiter."
Bedauernd schüttelte sie den Kopf, als sie seinen Diener sah, der unbehaglich auf der Schwelle zum Esszimmer stand und sich vermutlich fragte, was los war und ob sie noch essen würden. Ihr war jedoch der Appetit vergangen.
Armer Luca! Arme Ilaria! Es musste entsetzlich für die junge Frau gewesen sein, so lange mit diesem Geheimnis zu leben.
Mit der Zeit hatte es sie vermutlich immer mehr belastet, und sie hatte ihre Beklommenheit mit einem betont aggressiven Auftreten überspielt und war Luca aus dem Weg gegangen.
Und nun würde er den Ring endlich zurückbekommen.
Glaubte er wirklich, dass ein Gegenstand, egal, wie kostbar und selten er auch war, so viel Kummer wert war?
Darcy seufzte schwer. Vielleicht konnte er nun endlich Frieden mit ihr schließen, wie er es ausgedrückt hatte. Natürlich würde er sich bei ihr entschuldigen müssen, und das stimmte sie überraschend fröhlich. Nachdem sie nach Zia gesehen hatte, ging sie wieder nach unten ins Esszimmer.
Da sie wieder Appetit hatte, setzte sie sich an den Tisch und aß die Vorspeise. Nein, sie wollte nicht, dass Luca vor ihr zu Kreuze kroch, denn er hatte genug mit Ilaria und sich selbst zu tun. Und fairerweise musste sie sich eingestehen, dass tatsächlich vieles gegen sie gesprochen hatte.
Sie war bereits beim Hauptgang, als er wieder erschien.
"Santo cielo ... Wie kannst du jetzt bloß etwas essen?" fragte er ungläubig.
"Ich hatte Hunger", erwiderte sie leise. "Wo ist Ilaria?"
"Ich habe sie überredet, heute hier zu übernachten. Es tut mir sehr Leid ..."
"Was?" Um ihn nicht zu kränken, legte sie das Besteck weg, zumal er bei der schummrigen Beleuchtung ungewöhnlich blass und irgendwie verloren wirkte.
"Was?" wiederholte er geistesabwesend. "Bist du nicht wütend auf Ilaria?"
"Du meine Güte, nein! Sie war völlig außer sich. Sie ist sehr... gefühlsbetont", fügte sie taktvoll hinzu.
"Aber auf mich bist du sicher wütend", bemerkte er schroff.
"Na ja, am Anfang schon." Darcy stand auf. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte ihn in die Arme genommen, aber er wirkte so unglaublich distanziert. Als hätte er alles verloren. Doch das durfte sie ihm auf keinen Fall sagen.
"Ich habe immer gewusst, dass ich den verdammten Ring nicht gestohlen habe", erklärte sie sanft. "Und ich bin sehr froh, dass sich jetzt alles aufgeklärt hat. Ich verstehe auch, warum du mich für die Diebin gehalten hast ... Schließlich kanntest du mich kaum, stimmt's?"
Luca zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, und wandte den Kopf ab. "Nein ..." erwiderte er rau und schluckte mühsam.
Ihre Hilflosigkeit frustrierte Darcy. Doch sie fürchtete, die zarten Bande zwischen Luca und ihr zu zerstören, wenn sie jetzt auf ihn zuging. Er war zu stolz.
"Wir reden später darüber", fügte er mühsam beherrscht hinzu. "Du musst eine Zeit lang allein sein."
Er muss eine Zeit lang allein sein, übersetzte sie. Er wird mich verlassen ... Was habe ich falsch gemacht? fragte sie sich verzweifelt.
"Wäre dir eine heftige Auseinandersetzung lieber gewesen?"
"Es gibt nichts mehr, worüber wir uns streiten müssten", erwiderte er todernst.
Als die Uhr auf dem Kaminsims Mitternacht schlug, stand Darcy seufzend auf. In dem Moment hörte sie Schritte in der Eingangshalle. Als die Tür zum Wohnzimmer geöffnet wurde, erstarrte sie. Es war Luca.
"Möchtest du einen Drink?" erkundigte er sich leise, als er die Tür hinter sich schloss.
"Einen Brandy ..." Sie beobachtete, wie er zu dem orientalischen Barschrank ging. Wie immer war er umwerfend attraktiv,
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